Seit der Abtreibung hasst er meinen Sohn, meinen Ex, meine Vergangenheit

Er lehnt mein Kind ab und würde es am liebsten auf der Straße aussetzen

Hi Beatrice!!
Eigentlich hab ich mehrere Probleme in meiner Beziehung. Also, ich (26) bin mit meinem Freund seit einem Jahr zusammen. Er ist 29. Wir haben uns kennen und sehr schnell lieben gelernt.
Zu Anfang haben wir eigentlich mündlich festgehalten, dass wir weder Kinder haben wollen (ich hab schon eins aus der letzten Beziehung), noch dass wir heiraten… Tja, ein paar Wochen später war ich dann schwanger. Wir haben nicht verhütet. Bei den ersten Malen habe ich mir noch die Pille danach besorgt, dann dachte ich mir: “Was soll´s, neues Spiel neues Glück“. Muss noch dazu sagen, dass mein Sohn (fast 4) bei seinem Vater lebt. Ich hab es so entschieden, weil ich dieses Schei* Borderline habe und wollte, dass mein Kind bei intakten Personen aufwächst.
Naja, nach langem Hin und Her haben wir entschieden, das Kind zu bekommen. Aber auch mit der klaren Absprache, dass mein Freund sich hauptsächlich kümmert, weil ich in der Vergangenheit vieles falsch gemacht habe und somit Angst bekomme, nochmals alles zu vergeigen. Mein Freund hatte sich bis dato auch mit um meinen Sohn gekümmert, den ich bis vor kurzem noch alle 2 Wochen abgeholt habe.

Mit unserem neuen Kind sollte es aber nicht klappen. Nach zahlreichen zermürbenden Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass dieses Kind an Trisomie 21 leiden wird. Wir haben dann gemeinsam entschieden, dass eine Abtreibung das Beste wäre. Das alles haben wir zusammen durchgemacht. Er war auch mit im Krankenhaus. Danach gab es auch eine Beerdigung. Das war echt bitter, doch wir haben es überstanden, scheinbar…

Momentan sieht es folgendermaßen bei uns aus: Mein Freund hasst meinen noch lebenden Sohn! Ist eifersüchtig ohne Ende, will beide (Kind und dessen Vater) am liebsten im See ertränken. Sein Schmerz über unseren Verlust ist anscheinend so groß, dass er seine Liebe zu mir davon abhängig macht. Er ist auch eifersüchtig und wütend, wenn ich traurig bin, dass ich meinen Sohn jetzt so selten sehe, und hat null Verständnis dafür!! Vorher hat er sich sehr bemüht mich zu unterstützen. Stand mit Rat und Tat zur Seite, weil das Verhältnis zu meinem Sohn von Geburt an sehr angespannt ist und ich diese unglaubliche Ambivalenz habe. Doch nun steht alles auf der Kippe. Er meint, entweder ein neues Leben mit Kind und ihm oder meine Vergangenheit!!! Mein Freund verlangt, dass ich einen Teil von mir quasi trenne oder am besten abschneide, der nicht abzutrennen ist!! Selbst wenn ich es wirklich wollen würde… Aber ich kann und will es auch nicht. Ich liebe meinen Sohn (auf meine eigene Weise) und mach mir jeden Tag Sorgen um ihn, auch wenn ich eigentlich weiß, dass er gut aufgehoben ist.
Mein Freund sagt, dass er daran kaputt geht und deshalb nicht weiß, ob unsere einstige Liebe eine Zukunft hat.
Und genau das macht mich so irre. Ich fühle mich erpresst, wegen diesem „entweder oder“-Spielchen. Regelmäßig gibt es deswegen Streit, weil ich es NATÜRLICH nicht schaffe, diesen Teil ganz aus meinem Leben zu streichen.

Mein Riesen Problem ist, dass ich mich nicht trennen will und auch nicht kann. Ich liebe ihn wirklich sehr, bin emotional total abhängig und will auch nicht schon wieder allein sein!!!!!!!!!! Ich hab eigentlich ne eigene Wohnung, wir sind aber nach ein paar Wochen bei ihm hängengeblieben. Ist auch in Ordnung für mich, weil ich ihn so sehr mag und seine Liebe, Fürsorge, Zuneigung und Wärme brauche wie Wasser und Brot!!!!!!!! Wie kann ich unsere Liebe noch retten???
Ich bitte Dich daher dringend um Rat und Unterstützung, weil meine Kräfte aufgebraucht sind. Ich bewundere jedes Mal Deine offene und ehrliche Art und Weise.
Vielen Dank im voraus, Sara (26)

Liebe Sara,
da du meine „offene und ehrliche Art“ schätzst, hoffe ich, du wirst nicht böse, wenn ich´s auch bei dir bin…
Also. Obwohl du das Borderline-Syndrom hast und dich deshalb nicht in der Lage siehst, eine „gute“ Mutter zu sein (es deshalb beim Ex aufwachsen lässt), spielst du mit dem Mutterwerden und lässt die Verhütung weg, als ginge es um sowas wie „oh, es regnet, aber ich nehm keinen Schirm mit und riskiere ne Erkältung“ oder, wie du es selbst andeutest, um ein Glücksspiel.
Und dein Freund, der die Lage vermutlich kennt, spielt auch noch mit.
Und peng! bist du schwanger. Weil du aber Angst hast, den Mutterpflichten nicht gewachsen zu sein, überträgst du die Fürsorge für das kommende Kind deinem neuen Freund. Er überlegt es sich gut, entscheidet sich schließlich dafür. Offenbar dann mit vollem Herzen.
Dann stellt sich das mit der Trisomie 21 raus. Es folgt eine Vernunftentscheidung: Abbruch. Dein Freund unterstützt den Abbruch, aber nur vom Kopf her. In seinem Herzen hat er sich darauf eingerichtet, Vater und Bezugsperson für das kleine Baby zu werden. Und darüber ist er noch nicht hinweg! Er wollte es wirklich gern! Und nun fühlt er sich irgendwie… betrogen. Diesem anderen Typen, deinem Ex, dem hast du ein Kind geschenkt, und er geht leer aus.
Zudem läuft da irgendwas ein bisschen schief zwischen euch beiden in Bezug auf deinen Sohn und den Ex, weswegen dein Freund beide nicht so gut leiden kann und/oder eifersüchtig ist und sich irgendwie ausgeschlossen fühlt. Vielleicht hast du auch zu viele Vertraulichkeiten mit deinem Ex?

Nun bist du gefragt, meine Liebe. Du hast zwar Borderline, aber auch viel Köpfchen und Herz.
Wenn du deinen Freund behalten und den jetzigen Konflikt aus der Welt schaffen willst, musst du dich ganz klar zu deinem Freund bekennen. Das heißt auch: zum Ex zwar freundlich sein, aber nur so viel Kontakt wie nötig. Du musst deinem Freund immer und überall ganz deutlich den Vorzug geben. Er braucht deine eindeutige Liebe genauso stark wie du seine.
Sprich auch mit deinem Ex, ob er dir und dem Kind zu Liebe nicht versuchen kann, auf deinen Freund zuzugehen und sich ein wenig mit ihm anzufreunden.
Jetzt kommt das Wichtigste:
Erzähl deinem Ex von den Gefühlen deines Freundes um das verlorene Baby.
Dass er sich so drauf gefreut hat, seine große Fürsorglichkkeit einem Kind zu geben.
Und dann frag ihn, ob er euch deinen Sohn öfter überlassen kann als nur alle zwei Wochen mal.
Dein Freund kann für deinen Sohn genauso eine Vaterrolle übernehmen wie dein Ex. Dies funktioniert in unzähligen Patchwork-Familien.
Probiert es aus, ob es bei euch geht. Verklickere es auch deinem Sohn.
Es geht darum, dass du deinen Freund so viel wie möglich in „deine Familie“ mit einbeziehst – er muss ein vollwertiger Teil davon werden.
Kann sein, dass er zuerst komisch reagiert, sich ein bisschen sträubt.
Hier ist dein Herz gefragt – wenn du in dich hineinhörst und auch deine Liebe zu ihm dazunimmst, wirst du den richtigen Weg finden.
Du kannst deinem Freund auch sagen, dass es vielleicht noch nicht sein sollte mit einem Baby. Sondern dass ihr jetzt die Gelegenheit habt, euch in Ruhe als Paar und als Familie zu erproben – mit deinem bereits vorhandenen Sohn. Und wenn das gut klappt, könnt ihr immer noch irgendwann ein eigenes Baby bekommen. Zumal du in der Zwischenzeit dann noch Zeit hast, dein Borderline besser in den Griff zu kriegen (was du auch tun solltest!). Möchte dir dazu auch ein Buch empfehlen (zusätzlich zu einer Tjerapie, die du hoffentlich machst!!):
«Das Kind in dir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme».

Bis dahin: BITTE VERHÜTET!!!!!
Alles Gute, Beatrice Poschenrieder

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