Werden Beziehungen heute zu schnell weggeworfen?
Wie kann man/frau sicher sein, dass eine Trennung besser wäre? Geben Menschen heute zu schnell ihre Partnerschaft auf, statt zu kämpfen?
Hallo Beatrice!
Ich finde Deine Beratung im Internet wirklich Klasse! Ich vermisse allerdings eine Frage/Antwort und habe eine Anregung für Dich, nämlich ob Beziehungen heute zu schnell weggeworfen werden. Es geht ja auch darum, welche Fragen sich jemand stellen kann, der sich unsicher ist, ob die langjährige Partnerschaft, in der man sich befindet, sinnvoll ist weiterzuführen. In meinem Bekanntenkreis (und mir selbst ist es leider auch schon passiert) finden Trennungen von Paaren statt, die seit Jahren zusammen sind und nach außen harmonisch, also ohne große Streitereien, Zickigkeiten oder Lieblosigkeit wirken, deren Beziehung also nicht an offensichtlichen Problemen krankt.
Ich vermute, dass die Ursache solcher Trennungen eher im Bereich der gemeinsamen Lebensführung zu finden sind (so war es jedenfalls bei mir), also Wünsche an das Leben, gemeinsame Vorstellungen, eventuell gepaart mit eingeschlafener Erotik.
Der Generation meiner Eltern ist es oftmals unverständlich, warum sich zwei Menschen, die offenbar zueinander passen, da sie sonst nicht so lange zusammen geblieben wären, sich wegen „Kleinigkeiten“ trennen. Mangelt es uns etwa an der Fähigkeit, wirkliche Beziehungsarbeit zu leisten? Sind wir durch die Freiheiten, die wir im Gegensatz zu anderen Generationen haben, zu wechselbereit geworden? Mich würde Deine Herangehensweise an dieses Thema interessieren.
Liebe Grüße von Betty (40)
Liebe Betty,
vielen Dank für deine Anregung! Du findest die Thematik zwar nicht explizit auf meiner Webseite frag-beatrice.de, aber in diesem Beitrag hier:
“Wie kriege ich ihn dazu, ein paar Verhaltensweisen zu ändern?”
Und meine Herangehensweise lege ich vielfach dar in meiner Beratungsarbeit hier, bitte geh da mal stöbern.
Du schreibst:
„In meinem Bekanntenkreis … finden Trennungen von Paaren statt, die seit Jahren zusammen sind und nach außen harmonisch, also ohne große Streitereien, Zickigkeiten oder Lieblosigkeit wirken, deren Beziehung also nicht an offensichtlichen Problemen krankt.“
Woher willst du das wissen, dass diese Paarbeziehungen nicht an Problemen kranken? Müssen die Probleme immer “offensichtlich” sein, und erst dann sind sie wirklich ernstzunehmende Probleme? Sehr viele Paare stellen eine Heile-Welt-Fassade nach außen dar, und im Innern ist keine Liebe mehr, sondern eher so etwas wie: Resignation, kaum noch Interesse aneinander, wenig Respekt, wenig Achtung, kein liebevolles körperliches Miteinander, überhaupt wenig Miteinander. Und das gab es früher noch viel öfter als heute, es war eher die Regel als die Ausnahme!
Weiterhin merkst du an:
„Der Generation meiner Eltern ist es oftmals unverständlich, warum sich zwei Menschen, die offenbar zueinander passen, da sie sonst nicht so lange zusammen geblieben wären, sich wegen ‘Kleinigkeiten’ trennen. … Sind wir durch die Freiheiten, die wir im Gegensatz zu anderen Generationen haben, zu wechselbereit geworden?“
Früher waren die meisten Beziehungen über kurz oder lang Zweckgemeinschaften, d.h. nicht von Zuneigung getragen, sondern von pragmatischen Gründen – und von einem moralischen Korsett. Das heißt, man blieb aus finanziellen, praktischen und gesellschaftlichen Motiven zusammen. Heute, wo wir alle unabhängiger sein können, sind m.E. Beziehungen ehrlicher geworden. Man bleibt nicht mehr unbedingt zusammen, wenn man sich nicht mehr liebt oder nicht mehr begehrt oder keine gemeinsamen Ziele mehr hat. All diese Punkte sind fundamental wichtig für eine erfüllte Beziehung.
Ferner fragst du:
„Mangelt es uns etwa an der Fähigkeit, wirkliche Beziehungsarbeit zu leisten?“
Im Gegenteil denke ich, dass heute mehr Beziehungsarbeit stattfindet – vor allem von Seiten der Männer. Früher haben sehr viele den Versorger gemacht und damit war dann ihr Teil der Beziehungsarbeit geleistet, heute müssen sie sich schon auch mal ins Zeug legen, um die Liebe zu erhalten. Es gibt auch immer mehr Paare, die eine Paarberatung machen. Und ich sehe in meiner Arbeit, dass wirklich seeeehr viele Männer und Frauen ihre Beziehung keineswegs schnell hinwerfen, sondern einen langen Atem und Konfliktbereitschaft zeigen und kämpfen: sie streiten, sie diskutieren, sie überlegen sich Kompromisse oder Lösungen, sie versuchen Änderungen herbeizuführen. Manche kämpfen mehr innerlich, das heißt, sie versuchen ohne Streit ein paar ungute Dinge in der Partnerschaft zu ändern, und wenn das nicht fruchtet, kämpfen sie oft sehr lange mit sich selbst, ob sie gehen oder bleiben sollen. Klar gibt es heute viele Leute, die nicht kämpfen, sondern sich rasch trennen. Aber die haben früher einfach den inneren Rückzug angetreten und das finde ich eigentlich schlimmer.
Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder