Ich war respektlos und nörgelig, aber er kann „uns“ doch nicht einfach wegwerfen!

Er sagt, seine Gefühle seien weg. Sie meint: Ok, ich war eine Meckertante und oft respektlos, aber das war ich schon immer, wieso kommt er jetzt erst damit?

Sie nörgelt und schreit, er lässt es nur über sich ergehen

Liebe Beatrice,
mir gefällt deine offene und unverblümte Art zu antworten, deswegen schreibe ich auch mal. Vermutlich will ich nur davon überzeugt werden, dass es keine Hoffnung mehr gibt ;-(.
Mein Freund hat sich nach fünf Jahren von mir getrennt. Vor eineinhalb Jahren sind wir ins Ausland gezogen (und erstmals in eine gemeinsame Wohnung), und ich war bis vor kurzem der festen Überzeugung, dass wir eine relativ glückliche Beziehung führen. Wir haben viel gemeinsam (ohne uns ähnlich zu sein), haben eine ähnliche Perspektive aufs Leben, konnten über vieles sprechen – dachte ich.
Vor einigen Wochen brach es erstmals aus ihm heraus – er wisse nicht, ob seine Gefühle noch die alten seien.
Wir hatten in den letzten Monaten eine stressige Zeit, ich war manchmal eine ganz schöne Meckertante und respektlos; zudem war ich sehr unsicher und habe alle meine Zukunfstängste auf ihn projiziert. Aber das sind keine neuen Seiten an mir, mit denen hat er auch schon vorher vier Jahre zusammengelebt, und ich bilde mir ein, dass es schlimmere Phasen gab. Er hat immer versucht, sich um mich zu “kümmern”, da ich oft diejenige war, die über ihre Probleme gesprochen hat. Er hat in den letzten Monaten keinmal gesagt, dass er ein Problem habe. Zumal wir immer noch eine schöne Zeit hatten, viel unternommen haben etc..
Ich wäre auch gerne mehr für ihn da gewesen, seine Mutter ist schwerkrank, was ihn vermutlich auch mehr runtergezogen hat als er mir zeigen wollte. Ich habe auch öfter gefragt, ob alles in Ordnung ist, aber er hat sich daraufhin eher zurückgezogen.
In unserem letzten Gespräch meinte er, er habe gedacht, er schaffe das schon allein. Ist das nicht absurd? Ich wäre so gerne für ihn da gewesen. Seine Trennung kam dann für mich nach diesen vier Wochen “Bedenkzeit” immer noch relativ plötzlich, und ich habe das Gefühl, dass er etwas, das sehr schön war und auch noch entwicklungsfähig, in einer Fluchtbewegung einfach hinwirft (und auch einer wahren Auseinandersetzung damit aus dem Weg geht). Ich war nicht mit ihm zusammen, weil immer alles harmonisch war, sondern weil ich dachte, dass wäre der, mit dem ich an solchen Dingen arbeiten kann, auch an mir. Aber mit jemandem, der gar nichts von sich erzählt, ist das sehr schwierig. Ich dachte immer, er ruhe in sich selbst, und habe nun festgestellt, dass das Unsinn ist. Ich wollte doch auch für ihn da sein!

Ich schwanke nun zwischen Unglauben, verzweifeltem Akzeptieren und ja, Hoffnung. Er war sich bewusst, dass er etwas Schönes zerstört, aber er meinte, er könne nicht anders, er sei ganz leer. Seine Entscheidung stand felsenfest. Im Moment kann ich nichts tun als ausziehen, ihn in Ruhe lassen und auf mich aufpassen, aber oft kann ich den Gedanken nicht unterdrücken, dass wir in ein paar Monaten noch einmal eine Chance hätten. O.k., ich weiß, Du bist nicht diejenige, die mit harten Worten spart, also kann ich die Frage auch andersrum stellen: Wie werde ich diese Hoffnung los und kann weiterleben, ohne täglich daran zu verzweifeln, dass ich gerade mal eben das Wichtigste in meinem Leben verloren habe?
Liane (32)

Liebe Liane,
Du schreibst:
“Wir hatten in den letzten Monaten eine stressige Zeit, ich war manchmal eine ganz schöne Meckertante und respektlos; zudem war ich sehr unsicher und habe alle meine Zukunfstängste auf ihn projiziert.”
Oh je… das untergräbt eine Beziehung (und die Liebe), das weißt du ja jetzt selbst. Und ich denke, die Krankheit seiner Mutter brachte das Fass zum Überlaufen. Grade in so einer Phase braucht ein Mann nicht eine Partnerin, die an ihm herumzerrt und -meckert, sondern eine, die einfach da ist. Egal ob sie ihn nun unterstützt oder ob sie ihm einfach Kraft gibt, indem sie emotionell stabil ist und freundlich und guter Dinge. Überhaupt sollte eine Partnerin immer so sein, nicht nur wenn er seelischen Stress hat (es sei denn, er hat was wirklich Beziehungsstörendes ausgefressen – aber selbst da braucht eine Frau weder meckern noch respektlos sein, sondern sie kann es ihm auf ruhige respektvolle Art sagen).

Dass es nun zur Trennung kam, liegt auch nicht unbedingt daran, dass er dir seine Sorgen und Verärgerungen nicht richtig mitteilte. Eigentlich hättest du das selbst wissen müssen, wie man sich in einer guten Beziehung verhält. Respekt und freundlicher Umgang sind elementar. Und der Partner ist auch nicht dazu da, deinen Frust und deine Zukunftsängste auszubaden! Das musst du allein in den Griff kriegen.
Soviel zur Moralpredigt.

Dein Freund fühlt sich “leer” – das heißt, seine Gefühle sind nach und nach abgestorben. Er hat einen sog. “Beziehungs-Burnout”, wie er in solchen Konstellationen wie bei euch öfter vorkommt. Ferner vermute ich, dass er die Schuldgefühle nicht mehr aushält, und daher hat seine Psyche einfach nen Deckel drauf gemacht, also die Schuldgefühle mitsamt der anderen Gefühle weggepackt. Eine nörgelnde, meckernde Frau ruft bei dem Mann, der sie liebt, immer Schuldgefühle hervor, und bei dir kamen ja noch die Zukunftsängste hinzu! Ich nehme an, es war eher seine Idee, ins Ausland zu ziehen, und du warst da nicht glücklich, sondern hast auch noch Ängste entwickelt, daher fühlte er sich verantwortlich – und schuldig. Das ist ein mieses Gefühl, was Männern noch stärker zu schaffen macht als Frauen.
Das wieder umzukehren, ist bisweilen machbar, aber schwer. Du musst sehr stark an dir arbeiten – am besten mit Hilfe einer Fachfrau (die sich z.B. anschaut, woher diese Muster des Meckerns und der Zukunftsängste kommen, und dir hilft, sie aufzulösen) – und deinem Ex zeigen, dass du dabei bist, dich nachhaltig so zu ändern, dass er bei einer Fortsetzung der Beziehung die alten Schemata nicht mehr befürchten müsste. Du denkst vermutlich, dass du ja jetzt gewillt bist dich zu ändern und das auch allein schaffst. Aber das reicht nicht! Weil innerhalb einer Liebesbeziehung die alten Schemata automatisch wieder durchbrechen. Wie gesagt: Lass dich von ner Fachfrau unterstützen. Das kann eine Paarberaterin oder Psychologin sein oder auch ich (aber nicht kostenlos, weil das sehr viel Arbeit erfordert – siehe im Menue oben „Coaching / Therapie“).

Und seinen Entschluss musst du erst mal akzeptieren, klar, und ihm den Abstand geben, den er wünscht. Wenn du an dir arbeitest und er auch Gelegenenheit bekommt, dich zu vermissen, stehen die Chancen nicht so schlecht, dass in ein paar Monaten wieder was geht. Allerdings so eine nachhaltige Änderung, wie sie hier vonnöten ist, dauert locker 4 Monate, eher mehr.

Bitte lies dazu auch diese Texte – sie zeigen die Perspektive des Mannes:

Seit sicher ist, dass wir zusammenziehen, nörgelt und erzieht sie an mir herum

Meine Freundin meckert so viel, dass ich an Trennung denke

Meine Freundin ist nie zufrieden, egal was ich mache, und gibt mir nichts zurück

Sie meckert dauernd an mir herum (Teil 1)

Sie meckert dauernd an mir herum (TEIL 2)

Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder

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