Er hat seinen Job verloren, jetzt ist er für mich unattraktiv geworden

Er ist arbeitslos und findet keine Stelle, daher ist er depressiv – mir vergeht die Lust auf ihn und ich mache mir Sorgen um unsere Zukunft

Er ist arbeitslos, wir haben fast kein Geld, ich habe Angst um unsere Zukunft

Liebe Beatrice,
mit meinem Verlobten bin ich jetzt ein Jahr zusammen. Wir hatten beide eine schlimme Vergangenheit. Ich konnte den Männern lange nicht mehr vertrauen. Er ist so liebevoll, zärtlich und scheint mir auf Herzensebene alles zu geben, was ich brauche. Nun, vor ca. 3 Monaten, hat er seinen Job verloren. Die ersten Wochen haben wir gesucht, gemacht und getan. Es ergab sich einfach nichts. Er steht jeden Morgen mir mir auf, also er verschläft nicht den ganzen Tag. Jedoch ist er sehr depressiv und niedergeschlagen, da er einfach keinen Job findet.
Ich komme aus einer Akademiker-Familie, Arbeit, Erfolg und Geld war immer sehr wichtig. Mein Vater ist ein sehr mächtiger, erfolgreicher, strenger Mann. Ich wurde immer gefordert. Insgeheim habe ich aber zu meiner Mutter gesagt, ich will nie einen Akademiker bzw. so einen Erfolgsmenschen heiraten, denn mein Vater gab uns Liebe nur durch Leistung und bis heute ist er sehr kalt.
Nun ich habe einen sehr liebevollen, warmen Mann. Aber seit er seinen Job verloren hat, ist er für mich unattraktiv geworden. Ich habe keine Lust mehr auf ihn und habe schreckliche Angst um unsere Zukunft. Wie will dieser Mann mich ernähren, mir Sicherheit geben? Es ist fast kein Geld mehr da. Der Kühlschrank auf ein Minimum reduziert. Die Miete zahle ich, sowie Strom und Wasser. Er ist 28 und hat keinerlei finanziellen Vorrat. Wir arbeiten beide im Ausland, d.h. wir verdienen sonst schon wenig.
Jetzt wo ich endlich einen Mann fand, der mein Herz wärmt, ist dies plötzlich nicht mehr wichtig. Jetzt will ich finanzielle Sicherheit. Und das Schlimmste: Obwohl er schon so unten ist, bestrafe ich ihn auch noch mit Liebesentzug. Bin ich nicht normal? Ich kann doch nicht alles haben… Ich habe einfach so Angst. Wie sollen wir ohne Geld heiraten und Kinder groß ziehen? Ich will dies keinem Geschöpf dieser Welt antun, deswegen überlege ich meinen Kinderwunsch sehr genau. Bitte Beatrice, hilf mir…
Eine verzweifelte Luna (27)

Liebe Luna,
der beruflich erfolgreiche Mann ist eben als „Muster“ in deinem Kopf abgespeichert, weil du es sehr viele Jahre lang vor Augen hattest (bitte lies dazu das Buch unten, “Liebeskummer lohnt sich doch: Co-Abhängigleit in der Beziehung und die Ängste des Inneren Kindes (Koregaon)“).
Versuche dir immer wieder bewusst zu machen, dass nicht das abgespeicherte Muster zu deinem Idealmann gehört, sondern eher eine bestimmte Wesensart (z.B. warmherzig und liebevoll).
Allerdings glaube ich, dass es nicht allein das Fehlen von Geld und Erfolg sind, die dich derzeit an deinem Freund zweifeln lassen – es könnte auch sein Verhalten sein. Er ist derzeit niedergeschlagen, depressiv, vermutlich auch resignierend und pessimistisch (wie fast alle Depressiven) – das sind ja nicht grade Züge, die man sich beim zukünftigen Ehemann und Vater seiner Kinder wünscht, nicht wahr? Man wünscht sich, dass er optimistisch, zupackend, stark und nicht so leicht zu erschüttern ist. Und das zu wünschen, ist völlig legitim.
Nun ist es aber auch so, dass ich andererseits finde: nun ja, er ist erst 28 und erst seit 3 Monaten arbeitslos, und du bist erst 27 (du hast noch über 10 Jahre, wo du Kinder kriegen kannst) – warum machst du jetzt schon so ein Thema daraus?
Ihr sollt ja noch gar nicht heiraten und Kinder großziehen. Dafür habt ihr noch viel Zeit. Ich denke mal, das weißt du auch selbst; es geht im Grunde um was anderes, warum du ihn derzeit mit Liebesentzug bestrafst. Ich schätze, das tust du, weil du unterbewusst sehr enttäuscht von ihm bist: er verhält sich ein wenig wie ein Versager, ein Waschlappen, er jammert kläglich herum und lässt sich von dir durchfüttern, statt wenigstens mal einen Übergangsjob anzunehmen (man kann ja genauso gut auch nebenher einen richtigen Job suchen – und oft ergeben sich die auch aus dem Übergangsjob!).
Ich denke, so in etwa könntest du ihm das auch sagen. Gib ihm einen verbalen Tritt, damit er aus der Hüfte kommt. „Schatz, ich liebe dich, aber derzeit bin ich dabei, meine Achtung vor dir zu verlieren, weil… Mich zieht es runter, dass du derzeit… Ich möchte, dass du…“

Ich persönlich finde außerdem, dass man nie resignieren soll – man kann IMMER irgendwas tun, um seine Lage zu verbessern.
Und du: Überlege einfach mal, ob du du in einem anderen gewichtigen Punkt an deiner Einstellung arbeiten möchtest. Du bist eine moderne junge Frau, du wirst selbst Karriere machen – es ist heute nicht mehr nur die Aufgabe des Mannes allein, durch seine Arbeit eine Familie zu ernähren. Das kann die Frau ebenso tun, während er sich mehr um Kinder und Haushalt kümmert. Wenn wir Frauen echte Liebe wollen und nicht nur Versorgtwerden, müssen wir uns damit anfreunden, eventuell auch dieses Modell zu leben.

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Alles Liebe und Gute!
Beatrice Poschenrieder

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