Ist er nur mit mir zusammen, um eine Beziehung zu haben?
Er plant sie zu wenig ein, schenkt ihr nichts zum Geburtstag, vergisst anzurufen, steht in der Öffentlichkeit nicht zu ihr: Klingt nicht grade nach Liebe…
Hi Beatrice!
Lass ich mir zu viel gefallen und bin zu naiv? Will mein Freund (21) unbedingt eine feste Beziehung, liebt mich aber nicht? Ich weiß es nicht. Seit kurzem bin ich mit ihm zum zweiten Mal zusammen. Er redet von einer festen Beziehung und Neuanfang, aber es passieren schon wieder Dinge, die mich stutzen lassen. Konfrontiere ich ihn mit meinem Vorwurf, sagt er, dass es nicht so ist und fertig, ich solle mir nichts „zusammenreimen“. Im Endeffekt scheine ich das ganze ernster zu nehmen als er. Außerdem verhält er sich negativ anders, wenn Freunde dabei sind. Freundinnen trauen ihm nicht, allerdings zeigt er auch nur vor mir alleine seine positiven Seiten. Er ist wie Dr. Jeckyll und Mr. Hyde.
Sarah (21)
Liebe Sarah,
ich hätte noch ein paar Gegenfragen:
1) Wie lang wart ihr beim ersten Mal zusammen, wie lang seid ihr jetzt wieder zusammen?
2) Warum habt ihr euch beim ersten Mal getrennt?
3) Warum seid ihr wieder zusammengekommen?
4) Du sagst, „es passieren schon wieder Dinge, die mich stutzen lassen“ – was denn?
5) In welcher Hinsicht lässt du dir was gefallen?
6) Blockt er oft ab, wenn du mit ihm über Dinge reden willst, die euch beide betreffen?
8) Wie genau verhält er sich, wenn andere dabei sind?
9) Was gefällt dir an ihm und an eurer Beziehung? Zähle alles auf!
10) Was gefällt dir NICHT an ihm und an eurer Beziehung?
11) Macht er dich eher glücklich oder öfter unglücklich?
Viele Fragen… aber dadurch wird auch dir selber einiges klarer werden!
Beatrice
Liebe Beatrice,
hier sind meine Antworten:
1) Unsere erste Beziehungsrunde ging gut 2 Monate, jetzt sind wir wieder seit 7 Wochen zusammen.
2) Er hat mich versetzt und sich nicht auf Rückfragen gemeldet, später bei einem zufälligen Zusammentreffen meinte er, die Umstände, weshalb er mich versetzt hatte, waren ihm so peinlich und ich hätte dann wahrscheinlich eh Schluss gemacht.
3) Monate später haben wir uns wieder getroffen und ganz normal miteinander geredet, er hat mir erklärt, dass er sich eine feste Freundin wünscht. Damals hätte er sich anfangs nur mit mir (wegen seiner Ex) getröstet, aber später hätte sich das geändert. An dem Abend hab ich mich aber nicht weiter auf ihn eingelassen und habe gesagt, er könne sich ja bei mir melden. Daraufhin hat er sich um mich bemüht und nach einigen Treffen und Telefonaten haben wir wieder zusammengefunden.
4) Kleinigkeiten, die mich bei ihm stören: Er ruft nicht wie verabredet DO, sondern erst FR oder SA an Er hat eine sexistische Einstellung wie alle in seinem Bekanntenkreis. Er setzt mich sexuell unter Druck, indem er nicht sofort auf meinen Widerstand reagiert oder den Beleidigten macht, ich muss erst energisch werden. Er sagt mir nicht, wie wichtig ich ihm bin — das verunsichert mich und ich traue mich ebenfalls nicht. Seine Freunde müssen immer dabei sein. Er verabredet sich mit ihnen und fragt dann erst, ob ich mitkommen will, andere Leute plant er fast immer ein.
5) Vielleicht bin ich zu nachgiebig, vertrete meinen Standpunkt nicht wie gewohnt, um ihm nicht andauernd vorzuhalten, was mir jetzt schon wieder nicht passt.
6) Beim ersten Mal konnten wir gar nicht reden, er hat zwar zugehört, aber nichts erwidert, mittlerweile können wir reden, er blockt nicht ab, aber versucht abzulenken und antwortet nach dem Schema: Wenn ich das so sage, dann ist das auch so.“ Er beginnt kaum/selten das „Problemgespräch“, es fällt ihm sichtlich schwer zu antworten, er weicht aus und verharmlost, indem er Witze reißt.
7) Wenn andere dabei sind, ist er „der Coolste“ mit den tollsten Sprüchen, er ist der Partykönig, er unterhält sich mit allen und jedem, aber wenn ich seine Nähe haben will, muss ich immer auf ihn zukommen, was ich aber oft nicht tue, er kann ja auch mal kommen, im Endeffekt ist er dann beleidigt, wenn ich nicht zu ihm komme. Tue ich das aber, dann stehe ich dumm daneben und kann mir seine Storys anhören. Es ist ihm auch sehr unangenehm mich vor anderen zu küssen oder in den Arm zu nehmen, vor anderen behandelt er mich wie nen Kumpel bzw. beachtet mich wenig.
8) Meine Freundinnen haben ein schlechtes Gefühl bei ihm, weil er mich z.B. in ihrer Gegenwart nicht küsst oder er mir nichts zum Geburtstag schenkt, nicht mal ne Kleinigkeit; bzw. hab ich aus ihrer Sicht eben einen „Besseren“ verdient, sie kennen nur seine prolligen Seiten, die guten zeigt er ja nur, wenn wir alleine sind. Meine Freunde bezweifeln, ob er es wirklich ehrlich meint.
9) Mir gefällt es, wenn er gegen seine Überzeugung Frühstück macht, wenn wir uns wortlos verstehen, wenn wir miteinander über Gott und die Welt reden, wenn ich weiterschlafen darf, während er mit dem Hund geht, wenn er meinen Rat sucht, wir einfach nur zusammen fernsehen, wenn er mich beeindrucken will, wenn er auf meine Meinung Wert legt, wenn er mir meinen Freiraum läßt.
10) Mir gefällt nicht, wenn er mich „scherzhaft“ mit meinen Problemzonen ärgert, wenn er mich wegen seinen Freunden nicht beachtet, wenn er meint mir auf keinen Fall hinterherlaufen zu dürfen, wenn er egoistisch ist, wenn er mich wie Luft behandelt, wenn er launisch ist und ich das Gefühl habe zu nerven, wenn er mal lieb ist und dann wieder total kühl, wenn immer wer dabei sein muss, wenn er sich erst mit anderen verabredet, wenn er mich unter Druck setzt, wenn er nie sagt, was er will bzw. was er fühlt, wenn er über Dinge hinweglacht, wenn er mich vor den anderen nicht küsst oder sonstiges, wenn ich ihn was frage und er ausweicht.
11) Mal bin ich superglücklich und dann wieder mega enttäuscht, es ist ein totales Wechselbad, ich glaube, es gibt keinen Tag mit ihm, an dem ich nicht beides bin. Ich denke, wenn wir die ganzen Probleme beheben könnten (und ich denke, es hat alles die gleiche Ursache), dann hätten wir mehr Stabilität in der Beziehung und wären glücklicher.
Ich bin auf jeden Fall jemand, der gewillt ist, an etwas zu arbeiten.
Das waren echt gute Fragen. Meine Angst, dass er es nicht ernst meinen könnte, kommt durch diese ganzen Kleinigkeiten, die mich bezweifeln lassen, dass ich ihm wichtig bin, grade weil seine Exfreundin total anders ist als ich. Ich bin eine Vertreterin der Gleichberechtigung, sie ist eher das Heimchen am Herd.
Bis dann, Sarah
Liebe Sarah,
du hast geschrieben:
„Ich denke, wenn wir die ganzen Probleme beheben könnten (und ich denke, es hat alles die gleiche Ursache), dann hätten wir mehr Stabilität in der Beziehung und wären glücklicher.“
Ich denke auch, dass (fast) alle eure Probleme die gleiche Ursache haben, und leider ist sie nicht so einfach zu beheben: Dein Freund ist noch ziemlich unreif, und er verhält sich nicht partnerschaftlich. Offenbar hat man ihn in seinem Elternhaus ziemlich zum Macho erzogen – ein Typ, der recht wenig Zugang zu seinen Gefühlen und zu seinem Innenleben hat und sich über Männlichkeitsgehabe und Egozentrik definiert. Dazu passt auch noch seine Ex, die ihn in diesem Verhalten offenbar unterstützt hat.
Du hingegen wünschst dir eine Beziehung mit ausgewogenem Geben und Nehmen, in der man einander unterstützt und respektiert, in der man den anderen als ebenbürtig und wichtig betrachtet, statt ihn anzuhimmeln oder wie eine Nebensache zu behandeln. Eine Beziehung, die Stabilität und Geborgenheit vermittelt. Es ist vollkommen berechtigt, dass du nach so etwas strebst, und du solltest es nie aus den Augen verlieren. Wenn du der festen Meinung bist, so eine Beziehung zu verdienen, und immer dazu stehst, dann bekommst du sie auch. Was du derzeit von deinem Freund bekommst, ist verdammt mager. Vor allem, da ihr erst sieben Wochen zusammen seid (den ersten Abschnitt zähle ich nicht). Normalerweise ist man in dieser Phase noch himmelhoch jauchzend und möchte seinen Partner auf Händen tragen und ist superstolz auf ihn.
Wenn du mal schaust: deine Aussagen zu „Was mir an ihm nicht gefällt“ sind fast doppelt so lang wie das „Was mir an ihm gefällt“. Das klingt sehr ungut für so eine frische Beziehung. Ich möchte sie dir nicht ausreden und ich möchte dir deinen Freund auch nicht madig machen, aber es würde mir leid tun, wenn so ein sympatisches und auch kluges Mädel wie du sich von einem unreifen Burschen unglücklich machen lässt. In der amerikanischen Paartherapie gibt´s eine Faustregel: Eine Beziehung ist dann einigermaßen in Ordnung, wenn das Verhältnis von glücklicher zu nicht so glücklicher Zeit (die man mit dem Partner hat) mindestens 5 : 1 beträgt. Ich glaube, bei dir ist es wesentlich mehr, hm?
Was ich nicht gut finde:
„Ich vertrete meinen Standpunkt nicht wie gewohnt, um ihm nicht andauernd vorzuhalten, was mir jetzt schon wieder nicht passt.“
Es ist ein guter Charakterzug, seinen Standpunkt zu vertreten, und den solltest du nicht unterdrücken, nur um keinen Stress mit ihm zu kriegen. Für einen Menschen, der dich wirklich liebt, brauchst du dich nicht zu verbiegen, du kannst sein, wie du willst, und du kannst ihm sagen, was dir nicht gefällt. Womit wir bei der Frage wären, ob er dich liebt. Schwer zu sagen. Möglicherweise ist er noch gar nicht reif genug, um wirklich zu lieben und eine Liebesbeziehung zu führen. Du erzählst: er plant dich zu wenig ein, er verabredet sich immer noch gleichzeitig mit Freunden, er schenkt dir nichts zum Geburtstag, er vergisst anzurufen, er steht in der Öffentlichkeit nicht zu dir und und und… All das lässt mich zusammenzucken und daran denken, dass ich das alles auch schon erlebt habe. Bei meinen Kerls waren es (im Rückblick) alles Zeichen, dass sie mich nicht wirklich liebten. Sondern sie und/oder ich wollten das nur glauben. Hinterher ist man schlauer, aber solange man noch drinsteckt… oh je. Deswegen kann ich dir nur raten: Lass dir nichts gefallen und steh zu dir selber. Es ist besser, den Partner zu verlieren als sich selbst.
Bitte schau dazu auch mein Youtube-Video:
Herzlichst,
Beatrice Poschenrieder