Er kann sich nicht von seiner Familie trennen und wir können nicht voneinander lassen

Er liebt eine andere, würde für sie gerne seine Ehe beenden, aber schafft es nicht wegen der Kinder; die Trennung von der Geliebten schafft er auch nicht

Hi Beatrice,
ich gehe grade durch die Hölle meines Lebens und hätte gerne einen Rat.
Vor fast zwei Jahren traf ich einen Mann, bei dem ich von Anfang an wusste, dass ich ihn auf der Stelle heiraten würde, und an diesem ersten Tag sagte er mir, dass er verheiratet ist und 2 Kinder hat (er ist 44, die Kinder sind heute 9 und 6). Wir weinten bereits am ersten Abend über unsere Situation, weil uns klar war, dass wir nie zusammen sein können, obwohl wir das Besondere in dem Anderen erkannten. Aber wir fühlten uns verbunden, so dass wir uns entschieden, Freunde zu sein. Ich sagte ihm von Anfang an klar, dass ich ihn liebe, aber die Freundschaft in Kauf nehmen werde, weil ich ihn nicht missen möchte.
Wir arbeiten im gleichen Gebäude, so dass wir jede Gelegenheit nutzten, uns zu sehen – in den Mittagspausen, nach Feierabend etc.. Irgendwann kamen Telefonate auch an den Wochenenden dazu, Emailverkehr. Wir beide wussten, dass wir mehr als nur Freunde sind, aber wir haben uns lange dagegen gewehrt, auch die körperliche Liebe zuzulassen. Es hat 8 Monate gedauert, ehe wir das erste Mal miteinander schliefen und danach ging es mir auch nicht besonders, bis er mir sagte, dass alles ok ist und er nichts bereut. In den folgenden Monaten haben wir oft darüber gesprochen, wie es wohl weitergehen soll. Er sprach von Trennung, ich lehnte das kategorisch ab, weil ich dachte, dass seine Beziehung vielleicht nur am Alltag scheitert und weil er seine beiden Kinder abgöttisch liebt.
Er kann sich nicht von seiner Familie trennen, aber er liebt seine Frau nicht mehr
Vor knapp einem Jahr brach er dann zusammen und gestand seiner Frau, dass das mit mir mehr ist, dass er mich liebt und er nicht wüsste, was er machen soll. Nach ein paar Tagen hat er mir dann mitgeteilt, dass er bei seiner Familie bleiben werde, auch wenn ich die Frau bin, die er liebt. Wir telefonierten regelmäßig, weil man ohne den anderen nicht sein wollte. Wir sahen uns auch. Wir schliefen auch danach miteinander. Dann fuhr er für 3 Wochen in Familienurlaub und ich gab ihm einen Brief mit, in dem ich mich von ihm verabschiedete, in aller Liebe, die ich empfinde, damit er eine Chance hat, in sein altes Leben zurückzukehren. Ein paar Tage hat er es ausgehalten, bis er mich wieder anrief.
Als er wieder da war, sahen wir uns und schliefen schließlich auch wieder miteinander. Irgendwann wollte er es dann wieder „ernsthaft“ versuchen, zurückzukehren zu seiner Frau. Ich gab ihm den Raum, er rief mich weiterhin an und alles wiederholte sich. Wir sahen uns wieder, wir waren wieder zusammen, uns ging es gut, wenn wir zusammen sein konnten, und wir gingen durch die Hölle, wenn wir uns nicht sehen konnten. Ich bat ihn, eine Entscheidung zu treffen, für alle Beteiligten. Der Prozess zog sich über Monate. Er versicherte mir immer wieder, dass er mich unendlich liebt, dass er fühlt, dass wir zusammengehören, dass er ohne mich nicht leben möchte, dass ich die Liebe seines Lebens bin, dass er mich so sehr liebt, wie er noch nie geliebt hat. Aber er schaffte den Absprung letztendlich nicht.
Er ist der verantwortungsvollste Mensch, den ich kenne, und ich würde ihm niemals vorhalten, dass er sich für seine Kinder entscheidet und so habe ich ihn gebeten, dass, wenn er keine Entscheidung treffen kann, wir uns in aller Liebe von einander trennen müssen und zwar ganz, weil wir bereits festgestellt haben, dass wir eben nicht Freunde sein können. Er willigte ein und sagte mir, dass er nicht weiß, ob es richtig sei und dass er mich immer noch endlos liebt und dass sich das auch niemals ändern wird. Ich dachte, diesmal würde er es durchziehen. Aber wie immer kamen wieder seine Anrufe, die ich nicht ignorieren kann, weil ich ihn endlos vermisse und letztendlich kam auch wieder alles, wie es kommen musste und wir schliefen miteinander.
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein Kopf sagt mir, dass ich den Kontakt zu ihm abbrechen muss. Mein Herz zerbricht bei diesem Gedanken. Ich habe das Gefühl, ich würde ihn im Stich lassen, wenn ich ihm den Kontakt gänzlich untersage, und ich habe Angst, dass er daran genauso zerbricht wie ich. Ich bin nicht nur die Frau, die er liebt, sondern auch sein bester Freund. Seiner Frau hat er gesagt, dass er sie so nicht mehr lieben würde, aber sie meinte, das würde ihr so ausreichen.
Ich habe Angst, dass ich ihn ganz aufgebe und letzten Endes niemandem damit wirklich geholfen ist. Er wird sich seinem Schicksal fügen und selbst wenn er kreuzunglücklich ist, wird er wegen seiner Kinder wohl nie die Kraft aufbringen. Kann ich ihm eine Freundin sein? Kann ich aufhören, für ihn da sein, wenn er mich braucht? Oder gibt es nur den Weg, endgültig jeden Kontakt abzubrechen? Danke für deinen ehrlichen Rat
Yvonne (36)

Liebe Yvonne,
also diese Gedanken, dass du ihn “im Stich lässt”, wenn du dich abnabelst, oder dass du für ihn da sein solltest (für einen verheirateten Mann, der jeden Tag mit seiner Frau zusammen ist?!), solltest du komplett über Bord werfen – die sind Unsinn. Wenn er meint, er muss sich zwei Parallelbeziehungen halten, weil er den schönen Schein mit seiner Gattin wahren will, sollte eher ER sich überlegen, was er da mit dir anstellt und inwiefern er dich im Stich lässt.

Es gibt nun für dich mindestens zwei Lösungswege:
1) Diesen Mann komplett loslassen und zusehen, dass du eine Menge anderer Männer kennen lernst (er KANN nicht der einzige auf der Welt sein, den du lieben kannst!).

2) Falls du aber an ihm festhalten willst, dann solltest du versuchen, ob du nicht deine Einstellung ändern kannst: und zwar deine Vorstellung über die Art Partnerschaft, die du haben willst.
Ich möchte es dir an einem Beispiel erklären. Eine gute Freundin von mir, nennen wir sie Ute, hat seit fast 5 Jahren eine Liebesgeschichte mit einem gebundenen Mann. Auch er schafft es nicht, sich zu trennen, hier ist ein Kind im Spiel und die finanzielle Abhängigkeit der Frau. Die ersten zwei Jahre hat Ute auch schwer damit gehadert und gelitten und mehrere Trennungsversuche gemacht. Mittlerweile hat sie sich mit dem Status der „Nebenfrau“ angefreundet. Warum? Sie sagt: „Ich hab versucht, mich zu trennen. Ich hab andere Männer gedatet. Ich war in Clubs, auf Singleparties, in Internet-Singlebörsen. Aber kein Mann ist so toll wie mein Geliebter. Deshalb nehme ich es in Kauf, dass ich nicht seine einzige Partnerin bin. Im Prinzip kriege ich genauso viel wie seine offizielle, wenn nicht sogar mehr. Wir sehen uns mindestens zweimal die Woche, es ist immer schön und sehr intensiv, und er gibt mir sehr viel – mehr als meine Partner davor. Warum sollte ich also unzufrieden sein? Das einzige, was fehlt, ist der offizielle Status einer Beziehung und dass er die Feiertage mit mir verbringt, aber das nehme ich gern in Kauf dafür, dass wir sonst so wunderbare Stunden haben. Und ich muss ihm nicht mal seinen Kram hinterherräumen.“
Auch ich habe den Eindruck, Ute hat es geschafft, ihren Frieden damit zu machen – wenn ich sie treffe, wirkt sie immer sehr zufrieden.
Vielleicht gelänge euch auch so ein Arrangement?

Unten bei den “Verwandten Beiträgen” hab ich einige Texte reingepackt, die für dich zusätzlich interessant sein könnten.

Herzlichst, Beatrice Poschenrieder

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