Noch zwei Jahre nach der Trennung hab ich Depressionen, er hat mir so viel angetan

Mein Partner ging fremd und verließ mich zweimal wegen einer anderen Frau. Er hat mich zum Opfer gemacht, ich komme nicht drüber hinweg

Noch Jahre nach der Trennung / Scheidung bin ich wütend, traurig und depressiv

Liebe Beatrice,
mein Exmann und ich sind seit einem Jahr geschieden, getrennt sind wir seit zwei Jahren. Wir waren insgesamt 10 Jahre zusammen. Mein Problem ist, dass ich mit der Trennung und allem, was er mir angetan hat, nicht gut zurecht komme, obwohl man mir äußerlich nicht so viel anmerkt (stehe im Beruf, habe einen großen Freundeskreis und mache viel Sport). Fast zwei Jahre danach habe ich immer noch Depressionen, mal mehr, mal weniger schlimm.

Wir waren schon mal getrennt, vor neun Jahren, da hat er mich verlassen, weil er sich in eine 17jährige verguckt hatte (wir waren damals beide 25). Nach einer kurzen Beziehung mit dem armen Mädel kam er nach einigen Monaten reumütig zu mir zurück – und ich habe ihn mit offenen Armen wieder aufgenommen. Danach, so denke ich heute, war unsere Beziehung nicht mehr das, was sie einmal war. Er hat mich als dominant empfunden, ich habe ihn oft kritisiert und versucht, ihm meine Überlegenheit zu demonstrieren – in der fatalen Hoffnung, ihn so irgendwie im Griff zu haben, aber im Grund wusste ich irgendwie, dass ich ihm nicht wirklich vertrauen kann.

Als er mich gefragt hat, ob ich ihn heiraten möchte, war ich eher erschrocken. Meine Intuition hat mich schon gewarnt, aber ich habe ihn trotzdem geheiratet, um dann erleben zu müssen, dass er sich wenige Monate nach unserer Hochzeit in eine Kollegin verliebte. Ich kam ihm relativ bald auf die Schliche, und nach einigem Hin und Her, nachdem ich und die andere sozusagen um ihn gekämpft haben, hat er die Affäre dann beendet, und wir haben versucht, unsere desolate Beziehung irgendwie zu kitten, und noch anderthalb Jahre eine kaputte Ehe geführt, bis er dann endgültig den Schlussstrich zog und mich verließ.
Unmittelbar darauf war er mit der Anderen zusammen – und nach und nach kam heraus, dass er mich nahezu während der gesamten Zeit mit ihr betrogen hat. Ich kenne sie nicht, ich hatte nur das Vergnügen, einige ihrer SMS zu lesen. Sie hat sich wohl massiv ins Zeug gelegt, um ihn zu bekommen. Alte Freunde beschreiben sie als ganz anders als ich und berechnend und manipulativ. Aber das ist ja auch egal. Ich habe mittlerweile keinen Kontakt mehr zu ihm (anfangs haben wir noch telefoniert und uns einmal getroffen), ich ertrage ihn einfach nicht mehr.

Dennoch fällt es mir so schwer, damit abzuschließen. Ich kämpfe immer noch mit meiner Wut auf ihn und denke, dass er mir wirklich übel mitgespielt hat. Natürlich habe ich es mit mir machen lassen, das weiß ich, und das beschäftigt mich auch, weshalb ich mich so in die Opferrolle habe drängen lassen. Irgendwie habe ich das Gefühl, vom Leben betrogen worden zu sein, habe Angst, dass es zu spät ist, neu anzufangen, dass ich niemanden mehr kennenlerne, in den ich mich verliebe, dass ich keine Kinder, keine Familie haben werde. Meine Freundinnen versuchen mich damit aufzurichten, dass sie sagen, wer wenn nicht du wird es schaffen, wieder glücklich zu sein. Ich weiß, dass ich grundsätzlich anziehend auf Männer wirke, und dumm bin ich auch nicht, aber ich scheine immer die Falschen anzuziehen (bisher hatte ich nur ein paar hoffnungslose ONS) und kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie das ist, eine harmonische Beziehung zu haben.
Danke für ´s Lesen!
Ellen (34)

Liebe Ellen,
obwohl du dich fragst, «weshalb ich mich so in die Opferrolle habe drängen lassen» – und damit meinst du ja eine gewisse Zeit innerhalb der Beziehung – befindest du dich jetzt, zwei Jahre danach, immer noch in der Opferrolle!!! Ich setze da drei Ausrufezeichen dahinter, weil das nicht nur höchst ungesund ist (die Opferrolle ist der beste Weg, um in eine Depression zu geraten und dort auch stecken zu bleiben), sondern auch, weil du keineswegs nur das arme Opfer bist, dem “so viel angetan” wurde und das in diese Rolle gedrängt wurde. Du hast dich selbst hineinbegeben, und du hast deinen Teil zu der Entwicklung beigetragen. Erst mal nahmst du ihn mit fliegenden Fahnen wieder zurück, als er dich nach einem Jahr für die 17jährige verlassen hatte, statt erst mal diese Sache und deine stattgefundene Verletzung zusammen mit ihm zu verarbeiten (bevor du ihn zurücknimmst); stattdessen hast du ihm dann die Beziehung schwer gemacht: «Ich habe ihn oft kritisiert und versucht, ihm meine Überlegenheit zu demonstrieren» und wunderst dich dann, dass er sich wieder in eine andere verliebt und diese Affäre auch beibehält, da eure Ehe “kaputt” war.
Ich weiß, dass das hart klingt, was ich eben sagte, aber diese Scheiß Opferrolle hat dich bisher nicht aus deiner Depression und deiner negativen Zukunftssicht geholt, zwei Jahre lang nicht! Denn in der Opferrolle bist ja du das Opfer und er ist der Täter, du bist also einer Beziehung und dem bösen Mann hilflos ausgeliefert und kannst nichts machen, nein: Urplötzlich kann es jedem Mann, auch deinem zukünftigen, einfallen, dass er keinen Bock mehr auf dich hat, sich jetzt ne andere zieht, dich hintergeht und dich schließlich sitzen lässt. Diese Sichtweise entspricht aber nur selten der Realität. Bei dir schon mal nicht.
Wenn du deinen eigenen Anteil an der Entwicklung eurer Beziehung ganz klar erkennst und anerkennst und damit auch die Verantwortung für deinen Anteil übernimmst, dann erkennst du auch, dass du es stark (mit-)steuern kannst, wie und wohin sich eine Paarbeziehung entwickelt. Und den Partner zu kritieren, ihm Überlegenheit zu demonstrieren und damit versuchen, ihn “im Griff zu haben”, wie du es selbst nennst: Das ist der absolut falsche Weg. Wie soll ein Mann da lieben können und bleiben wollen?

Und du weißt zum Teil auch, an welchen Punkten du ein Bauchgefühl hattest und trotzdem anders gehandelt hast. Was in dir ließ dich so handeln? Das gilt es herauszufinden, und es wird mit zu deiner inneren Heilung beitragen. Aber ich denke, das ist schwer allein zu schaffen. Deshalb rate ich dir, einige Psychotherapeutinnen aufzusuchen und zu schauen, bei welcher du das Gefühl hast, sie kann dir weiterhelfen; gut wäre eine Therapeutin, die auch Paartherapie / Paarberatung in petto hat.

Noch eine Anmerkung: Du kannst unter anderem deshalb nicht damit abschließen, weil das Ganze noch weiter zurückreicht als die Beziehung, die du hinter dir hast. Der Schlüssel liegt vermutlich in deiner Kindheit und Jugend. Wenn du dich intensiv damit auseinander setzst, wirst du irgendwann erkennen, wie alles zusammenhängt, was dir widerfahren ist, und inwiefern du auch selbst daran beteiligt warst. Das wird dir die heilsame Gewissheit geben, dass du dein Schicksal selbst steuern kannst und dass du nicht unglücklich werden musst, wenn du es nicht willst.
Aber das braucht alles seine Zeit und ebenfalls fachliche Hilfe.

Du schreibst auch:
“Irgendwie habe ich das Gefühl, vom Leben betrogen worden zu sein, habe Angst, dass es zu spät ist, neu anzufangen, dass ich niemanden mehr kennenlerne, in den ich mich verliebe, dass ich keine Kinder, keine Familie haben werde.”
Ich verstehe, dass du dieses Gefühl hast, aber es ist genau die Opferrolle und die Depression, die dich so schwarz sehen lassen – und daher bitte ich dich, zu deinem Hausarzt zu gehen und dir eine Psychotherapie verschreiben zu lassen. Ich versichere dir, dass es längst nicht zu spät ist. Je eher du mit dieser intensiven Auseinandersetzung mit dir selbst loslegst, desto eher wirst du wieder zu einer positiven Person, die auch das Positive anzieht.
Bitte resigniere nicht. Du hast noch so viele gute Jahre vor dir!
In meinem Buch «Mister Aussichtslos: 12 Männertypen, die Sie sich sparen können» findest du nicht nur je ein Kapitel über den Gebundenen, der sich nebenher eine Geliebte zulegt, und den notorischen Fremdgänger, sondern auch die “Goldenen Regeln”, die dich davor schützen, wieder auf den Falschen hereinzufallen.

Zum Thema “Ich ziehe nur die falschen Männer an” hier noch ein paar Beiträge:

Warum finde ich nicht den Richtigen/ die Richtige?

Warum halten meine Beziehungen immer nur drei Monate?

Aus Unsicherheit tue ich immer wieder Dinge, die meine Partner vertreiben

Alles Gute
Beatrice Poschenrieder
Und hier geht´s zur Fortsetzung: Noch zwei Jahre nach der Trennung Depressionen, er hat mir so viel angetan Teil 2

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