Getrennte Wohnung: Kann man so die Beziehung retten oder ist es die Vorstufe zur Trennung?

Aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen in eine eigene, ist oft nicht das Ende, sondern die Rettung, wenn das Zusammenleben die Liebe auffrisst

Aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen, stattdessen jeder eine eigene Wohnung (Living Apart together): Kann das eine Beziehung retten?

Hi Beatrice,
meine Partnerin und ich sind insgesamt acht Jahre ein Paar, leben seit sechseinhalb Jahren zusammen und haben auch schon mal vom Heiraten gesprochen. Das ist jetzt wohl passé. Ja klar, wir arbeiten beide sehr viel und sehen uns nur abends, vielleicht ist es zwischen uns zu viel Routine geworden. Aber ich war wohl blind dafür, dachte, es wäre alles in Ordnung. Vor kurzem hatte ich so ein komisches Gefühl, sie ist mir gegenüber ziemlich auf Distanz gegangen und ich kam nicht mehr so richtig an sie ran. Ich hab sie gefragt, ob sie ein Problem hat. Sie sagte mir, sie wisse es nicht so genau, aber sie langweile sich in unserer Beziehung und fühle sich nicht mehr wohl, so eng mit mir zusammenzuleben, weil ich das alles so selbstverständlich nähme.
Wir haben früher wenig über Gefühle und Probleme gesprochen, in den letzten Tagen natürlich mehr. Aus den Gesprächen ging hervor, dass sie mich lieb hat und ich ihr nicht egal bin – ich aber liebe sie über alles, und dieser Gedanke, sie zu verlieren, der frisst mich auf. Sie sagte zu mir, ich würde sie einerseits erdrücken und andererseits hätten wir zu wenig für eine gute Beziehung getan, sie hätte gern mehr Zeit und Raum für sich.
Wir haben für uns gemerkt, dass wir uns so, wie es momentan ist, gegenseitig kaputt machen und wir uns jetzt räumlich trennen, aber nur räumlich, darüber sind wir uns einig. Wahrscheinlich würde eher ich ausziehen, weil die gemeinsame Wohnung auf meine Freundin läuft. Das war ein schwerer Schritt für mich und ich glaube, auch ihr ist es nicht einfach gefallen. Jetzt frag ich dich, was du davon hältst – ist das der Anfang vom Ende?
Danke für deine Antwort
Oliver

Antwort im Rahmen der kostenlosen Paarberatung:

Lieber Oliver,
ist das der Anfang vom Ende?
Nein, ich denke eher, es ist eure einzige Chance. Aber ich rate dir dringend, dir fachliche Hilfe zu suchen, eine geeignete Paarberatung, die dir hilft zu analysieren, was GENAU bei euch beiden schief gelaufen ist, und wie man es besser macht. Ich kann sowas ja auch, aber ich hab einfach keine Kapazitäten mehr frei. Es gibt gute Fachleute, die auch online helfen, die Beziehung zu retten – der erste Schritt ist oft ein Test, ob es Sinn macht, zu bleiben und zu kämpfen, oder ob man sich besser trennt.

Bitte investiere ein bisschen Zeit und Geld, denn mir scheint, bei euch lohnt es sich durchaus – und die getrennte Wohnung ist eine Chance für dich, etwas an dir zu ändern, was nicht gut für eine Beziehung ist:
„Dieser Gedanke, sie zu verlieren, frisst mich auf. Sie sagte zu mir, ich würde sie erdrücken…“
Was du lernen musst, ist: Wenn es dich auffrisst und sie sich erdrückt fühlt, ist es nicht Liebe – sondern eine emotionale Abhängigkeit von deiner Seite her. Wenn dein seelisches Gleichgewicht davon abhängt, wie deine Freundin sich verhält, ist das auch nicht Liebe, sondern Abhängigkeit. Und das spürt deine Freundin. Es belastet sie, denn du übergibst ihr so ein Stück weit die Verantwortung für deine Seelenlage. Sie hat nicht nur das Gefühl, dass sie ständig bei dir sein soll, sondern dass sie sich irgendwie auch dauernd auf dich einstellen soll. Aber das ist nicht Sinn und Zweck einer Partnerschaft. So etwas erdrückt jeden irgendwann.

Starke, dauerhafte Liebe zwischen erwachsenen Menschen bedeutet: Du bist in dir selbst gefestigt und stark genug, um es auszuhalten, dass deine Freundin nicht immer das gleiche will wie du – und sie trotzdem noch zu lieben und dich ganz okay zu fühlen. (Sehr gut und ausführlich beschrieben ist das in dem Buch „Die Psychologie sexueller Leidenschaft“ von David Schnarch.) Ich halte es für möglich, dass du einerseits fixe Erwartungen an deine Partnerin hast – z.B. dass sie den Alltag komplett mit dir teilt und sich in der Freizeit eher nach dir richtet – und andererseits zu wenig getan hast, um die Beziehung spannend zu machen.

Wenn ihr beide wieder auseinanderzieht, ist das die Chance für dich, zu lernen, mit dir selbst gut klarzukommen. Wenn du das schaffst und mit dir im Reinen bist – „in dir ruhst“, wie man so schön sagt – dann können dich Beziehungsprobleme (also die ganz normalen Unstimmigkeiten) weder aus der Bahn werfen noch auffressen. Und dann kannst du deiner Freundin auch jederzeit die Freiheit geben, die sie braucht, und du fühlst dich wohl und sie fühlt sich wohl. Das ist einfach superwichtig für eine gute Beziehung!
Also: Such dir eine Wohnung, rette deine Liebe und tu was für dein eigenes, von ihr unabhängiges Selbstwertgefühl.
Herzlichst
Beatrice Poschenrieder

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