Mein Freund ist nur noch müde und lustlos, Teil 2

Es ist sehr praktisch, eine Partnerin zu haben, die macht und tut, aber ist ein Mann verrückt nach ihr? Nein.

Sie hilft mir im Haushalt und ist zärtlich, aber ich liebe sie nicht und bin nicht verliebt!

Sophia, die Schreiberin des Briefes „Mein Freund ist nur noch müde und lustlos“, mailte mir auf meine Antwort folgendes:

Hi Beatrice!
Bist du dir und deine Bekannten sicher, dass es nur an sowas liegen kann?
Unabhängig von seiner „Müde“-Phase kann es sicher sein, dass er in seinem bisherigen Leben viel Liebe geschenkt hat und dies bisher wohl völlig missbraucht wurde. Ich bin zwar kein Punching Ball, an dem er seine schlechten Erfahrungen abreagieren kann, aber ich bemühe mich zu zeigen, dass es auch andere Menschen gibt. Mir kommt es bisschen vor, als ob er der Meinung ist, dass Liebe nur verletzen kann. Da merk ich, dass er nicht „verliebt“ ist im Sinne dessen, dass die Sterne seine Sinne trüben, aber ich sehe, dass er gerne in meiner Gegenwart ist.
Gestern war ich wegen einer Sache sehr verstört, er hat mein Weinen leider ignoriert. Ich hab ihn gefragt, warum er so kalt ist. Er: “Was soll ich dir denn helfen.” Ich hab gesagt, es würde mir helfen, wenn er mich einfach nur in den Arm nimmt, was er auch dann tat.
Meinst du nicht, dass es daran liegen könnte, dass er einfach mit Gefühlen anderer nicht umgehen kann und mit seinen eigenen evtl. überfordert ist?
Was wäre denn der Grund dafür, dass er sagt, dass er mich auch lieb hat, was wäre der Grund dafür, dass er mir ein Lächeln schenkt, wenn ich ihm übers Haar streiche. Was ist dann der Grund dafür, dass er nachts den Arm um mich legt und mich fest drückt? Was ist der Grund dafür, dass er unser Verhältnis als Beziehung deklariert hat?
Also ist es wohl was Ernstes und seiner Aussage nach bin ich auch kein Lückenbüßer.
Ich bin nicht bereit einen Absprung zu wagen – wie du schon sagst, ich liebe ihn über alles. Ich müsste mir sicher sein, dass er mich nicht liebt oder nur benutzt. Im Moment bin ich aber nur der Ansicht, dass ich ihn ein bisschen antauen muss und ihn unterstützen muss, wo es nur geht.
Ich danke dir aber für deine Sichtweise…
Sophia (26)

((Leider sieht sie nicht, dass er sie nur mag, aber nicht liebt, und dass sie mit ihren unablässigen Unterstützungsversuchen NICHT bewirken wird, dass er sich in sie verliebt.
Sophia war wohl mit meiner Antwort nicht zufrieden. Deshalb schrieb sie eine weitere Anfrage, in der sie so tat, als sei sie ihr Freund – in der Annahme, ich würde es nicht merken – ein verzweifelter Versuch, Entschuldigungen für sein lust- und liebloses Verhalten zu finden… Dementsprechend ging ich zum Schein darauf ein und antwortete ziemlich streng, um ihr das Ungleichgewicht deutlich zu machen.))

Hallo Bea,
hier ist der Freund von Sophia; ich bin seit 3 Monaten mit meiner Freundin zusammen, zu der ich eine starke Anziehung verspüre.
Ich hab eine 10-jährige Beziehung hinter mir und 2 Beziehungen, die 1 Jahr liefen. In allen 3 Beziehungen war ich schwer verliebt und hab auch immer diesen Drang gehabt, meine Freundin zu beschenken, alles für sie zu tun, aber es kam nie was zurück. Jetzt kommt es mir vor, als ob ich mich an meiner neuen Freundin dafür rächen würde, dass meine Exfreundinnen solche hysterischen Psychotinnen waren.
Sophia tut und macht und ich hab einfach den Kopf zu voll, um mir irgendwas einfallen zu lassen oder Sie zu überraschen. Ich komm nach der Arbeit nach Hause und bin nur noch damit beschäftigt die Kundengespräche abzuschütteln und mich darauf zu konzentrieren mich zu entspannen. Es kommt mir vor, als ob ich neben mir stehen würde und mich selbst schimpfe, was ich denn da eigentlich tue, während sie sich verständnisvoll an mich schmiegt. Ich überlege, ob es daran liegen könnte, dass wir einfach nicht zusammenpassen, aber – wenn ich sie ansehe, dann möchte ich den Engel niemandem hergeben. Ich fühl mich manchmal so hilflos, wenn sie mit mir über unsere Beziehung reden will. Ich will ihr nicht wehtun und nichts Falsches sagen. Ich hab ihr gesagt, dass ich mir meiner Gefühle für sie nicht sicher bin, dann kamen diese Tränen von ihr, die mir einen richtigen Knoten in den Kopf gemacht haben – am liebsten wäre ich weggerannt.
Sie ist so anders als alle anderen, Sie ist einfach zu lieb und wir teilen viele Interessen.
Jetzt hab ich mir gerade den Brief noch einmal von vorne durchgelesen und komm mir vor wie ein mieser Egoist, aber ich hab sie ehrlich lieb – nur bin ich irgendwie verwirrt. Im Streit hab ich ihr vorgeschlagen, uns zu trennen, allein aus dem Grund weil ich nicht zusehen konnte, wie sie an meiner Unsicherheit leidet, denn sowas hat sie nicht verdient. Ich will immer ehrlich zu ihr sein, ich könnte sie nicht belügen. Aber mein Vorschlag hat sie völlig kaputt gemacht – sie liebt mich. Was soll ich machen? wie soll ich damit umgehen, bin ich beziehungsunfähig geworden?
Du siehst, ich bin völlig durcheinander.
Tom (38)

Hey Tom,
ein paar Rückfragen:
1) Wieso bist du dir nicht sicher, ob ihr zusammenpasst?
2) Was meinst du mit „dir was einfallen lassen“?
3) Gehst du auf ihre Wünsche ein – bzw. auf welche ja, auf welche nein?
4) Unternimmst du überhaupt was mit ihr? Wenn ja, was und wie oft?
5) Wie oft und inwiefern gibt du ihr Zärtlichkeit?
6) Wie oft habt ihr Sex und wie läuft der genau ab?
7) Wer ergreift dazu die Initiative?
8) Ist der Sex für sie befriedigend?
9) Was heißt, „sie macht und tut“?
Bis dann, Beatrice

Hallo Bea!
freue mich sehr dass du antwortest
1) Wieso bist du dir nicht sicher, ob ihr zusammenpasst?
Bislang hat man sich in einer Beziehung immer in verschiedene Richtungen verändert. Meine Exfreundinnen waren so extrem, dass ich nicht glaube, dass es anders laufen kann. Ständiges Rumgezicke, Eifersuchtsdramen und dann wussten Sie nicht was sie wollten…
Ich mag Sophia sehr gerne, aber denke immer daran, dass es sich so drehen könnte.

2) Was meinst du mit „dir was einfallen lassen“?
Sie schwärmt davon einfach mal grundlos in den Arm genommen zu werden und so, aber ich finde nicht den richtigen Zeitpunkt.

3) Gehst du auf ihre Wünsche ein?
Ich gehe nicht aus, wenn sie mit will, denn ich mag es nicht, meine Freundin zu präsentieren. Das liegt nicht an mir, das war schon immer so. Dieses „guckt mal“ geht mir auf den Sack. Daher gehe ich sehr selten mit ihr aus. Dennoch hab ich sie gern dabei, wenn sie sich nicht dauernd dranhängt und mich vor anderen küssen will.
Wenn sie mich darum bittet, nehm ich sie in den Arm, obwohl ich nicht weiß, wie ich ihr damit weiterhelfen soll, aber ok. Und ich weiß, dass sie sich mit mir wohler fühlt als allein. Ich gebe ein Stück Freiraum her für sie, den ich eigentlich vermisse (also ab und zu mal was alleine zu unternehmen oder sich im Bett auszubreiten).

4) Unternimmst du überhaupt was mit ihr?
Wir gehen bei schönem Wetter ab und zu Joggen und Inlineskaten und auf lange Spaziergänge, ins Kino und auch mal in Clubs. Allerdings klappt das nur am Wochenende – während der Woche schauen wir fern und essen zu Abend.

5) Wie oft und inwiefern gibt du ihr Zärtlichkeit?
Viel zu selten! Ich weiß, dass sie nicht das bekommt, was sie verdient, aber vielleicht ist es das, was mich so unsicher macht oder umgekehrt.

6) Wie oft habt ihr Sex und wie läuft der genau ab?
Einmal im Monat, er läuft schön ab. Was soll ich sagen, letztens hat sie sogar Handschellen gekauft.

7) Wer ergreift dazu die Initiative?
Meistens verführt sie mich.

8) Ist der Sex für sie befriedigend?
Wenn er mal stattfindet, dann, denke ich, ja. Aber ich kann morgens nicht, und ich kann nicht mehr weiter, wenn ich gekommen bin. Aber sie hat noch nicht den Eindruck gemacht, dass sie das stört. Allerdings ist sie ein Typ Mensch, der jeden Tag Sex haben möchte, von daher ist das für sie nicht befriedigend.

9) Was heißt, „sie macht und tut“?
Heute hat Sie Minipizzas gekauft und ich hab auf der Couch geschlafen, sie hat mich zärtlich geküsst und gefragt, ob sie mich zur Halbzeit vom Fußball wecken soll. Dann ist sie in die Küche und hat alles aufgeräumt und hat die Pizzas gemacht. Jetzt liegt sie auf der Couch und schaut manchmal so süß zu mir rüber. Und sie hat mir heute eine Trainingshose gekauft, die ich jetzt anprobieren werde…

Bin gespannt, ob dir meine Antworten helfen mein Dilemma zu lösen 🙁
TOM

((Wie erwähnt, es ist gar nicht Tom, der mir hier schreibt, sondern seine Freundin Sophia, die von mir unbedingt die Bestätigung will, dass er sie liebt und dass sie noch geduldiger und hingebungsvoller sein soll – meines Erachtens der falsche Weg.))

Hey Tom,
dein Dilemma ist eher dein schlechtes Gewissen.
Wem willst du was vormachen? Mir, ihr, dir selbst? Du liebst dieses Mädel nicht, bist nicht mal verliebt oder verknallt. Selbst ein Mann, der nur verknallt ist, bringt genug Energie auf, um seiner Flamme eine Freude zu machen, zärtlich zu ihr zu sein, sie zu verführen oder auch nur in den Arm zu nehmen. Deine Freundin hingegen muss um so etwas Schlichtes betteln wie, in den Arm genommen zu werden. Das ist ziemlich erbärmlich, dass du das nicht mal öfter spontan fertigbringst, geschweige denn ihr das zu geben, was sie verdient.
Normalerweise ist man vor allem in den ersten paar Monaten verrückt nacheinander, kann kaum die Finger voneinander lassen, hat dauernd Lust aufeinander. Man denkt noch nicht an „ich brauche meinen Freiraum“. Und man hat das Bedürfnis, den anderen glücklich zu machen. Dieses Bedürfnis hast du fast gar nicht. Du begründest es mit deiner Unsicherheit bezüglich deiner Gefühle und deinen vorigen Beziehungen und deinen angeblichen Befürchtungen, es könnte sich wieder so entwickeln, dabei weißt du ganz genau, dass dieses Mädchen ganz anders ist als deine vorigen Weibsbilder. Sprich, es ist ein Vorwand (vielleicht sogar vor dir selber).
Ich denke: das arme Mädel ist total verliebt in dich, du aber sie nicht in sie, sondern bist Nutznießer ihrer hingebungsvollen Liebe. Du „duldest“ sie, hast sie sicher auch oft gern um dich, denn du fühlst dich geschmeichelt von ihrer unterwürfigen Liebe, es stärkt dein Ego, vielleicht kommst du auch mit dem Alleinsein noch schwerer zurecht als mit dem Hergeben von Freiraum, aber im Grunde hast du gar keine Lust, dich mit ihrer Seele und ihren wirklichen Bedürfnissen auseinanderzusetzen.
Stattdessen kreist du stark um dich selbst und deine Arbeit; sie hilft dir im Haushalt und beim Entspannen, aber was sie braucht und wie du ihr helfen kannst, da machst du dir noch nicht mal Gedanken. Im Gegenteil, sobald es unbequem wird, redest du von Trennung oder Nicht-Zusammenpassen.

Du schriebst in der ersten Mail, „Jetzt kommt es mir vor, als ob ich mich an meiner neuen Freundin dafür rächen würde“. Ja, das kommt mir auch so vor, und es ist wiederum ein Zeichen von mangelnder Zuneigung. Vermutlich bist du momentan gar nicht in der Lage, wirklich zu lieben, von daher solltest du diesen „Engel“ nicht länger hinhalten. Sie hat einen Freund verdient, der ihre großen Gefühle, Bemühungen und Zärtlichkeiten erwidert und an ihr als Person interessiert ist statt an einer netten Gesellschafterin.

Sorry für die harten aber ehrlichen Worte
Beatrice Poschenrieder

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