Mein Freund will zur Frau werden und ich soll das akzeptieren

Ihr Freund hat ihr eröffnet, dass er ab jetzt nur noch als Frau herumlaufen will, nimmt auch eigenmächtig Hormone. Sie will das nicht; er hat sich getrennt

Liebe Beatrice!
Ich habe eine Beziehung mit einem 39jährigen Mann, der seit kurzem festgestellt hat, dass er evtl. schwul ist. Ich sage deshalb „evtl.“, weil er sich nicht sicher ist. Er will nur noch in Frauenklamotten mit mir ausgehen, in diversen Lokalen. Das ist auch nich weiter schlimm, aber an unsere Abmachungen hält er sich nicht. Er nimmt auch die Pille, ohne medizinische Absprache, die er sich von jemand anderem besorgt hat, denn ich lehne dies ab. Ich bin dagegen, dass er einfach so Hormone nimmt.
Er will es wissen, so drückt er sich aus. Unsere Beziehung leidet sehr darunter, weil ich nicht weiß, wen ich gegenüber habe – Männlein oder Weiblein. Er will es ein Jahr lang duchziehen und dann damit aufhören, so sagt er. Ich glaube nicht so richtig daran. Befürchte, auf der Strecke zu bleiben. Habe ich ihm auch gesagt. Er verneint das. Er liebt mich, sagt er, und deshalb gehe er mit dem Thema so offen um.
Ich freue mich, dass er mich da mit einbezieht, gleichzeitig macht es mir sehr zu schaffen, was mit ihm ist. Das alles kam wie eine Lawine über mich. Mir wäre es am liebsten, wenn wir zusammen zu einer Beratung gehen. Hatten wir auch vor, doch der letzte „Frauenabend“ ist gründlich schiefgegangen. Wollte auch mal wieder „normal“ mit ihm ausgehen. Er verspricht´s, hält sich aber nicht daran. Da war ich nicht gerade gut gelaunt und der Abend wurde sehr unangenehm. Habe ihn mit meinem Verhalten verletzt, sagt er. Ich weiß das – habe mich auch dafür entschuldigt, er hörte mir aber garnicht richtig zu. (Bin sogar mit ihm Frauenklamotten etc. einkaufen gegangen.)
Seitdem lehnt er jeden Kontakt zu mir ab (wir wohnen nicht zusammen). Er will, dass ich mich in ein paar Tagen entscheide, ob ich mit seinem „Weiblich-sein“ umgehen kann. Und es würde ihm sehr leid tun, wenn die Antwort von mir Nein lauten würde.
Ich fühle mich von ihm unter Druck gesetzt. Wie kann ich etwas entscheiden, worüber ich nicht Bescheid weiß?!
Wie verhalte ich mich jetzt? Denn ich kann nur bis zu meinen Grenzen damit umgehen. Das weiß er auch. Wo gibt es die geeignete Beratung? Denn für mich ist der erste Schritt, mit Leuten darüber zu sprechen, die sich mit diesem Thema auskennen, und für mich stellt sich die Frage, wo ist die Ursache? Ist es der alkoholsüchtige Vater, der ihn öfters, als Kind, krankenhausreif geschlagen hat, also er hat niemals Kind sein dürfen, hat es nie kennen gelernt, was es bedeutet eine Familie zu haben, jemanden zu vertrauen, Nähe und Geborgenheit zuzulassen und weiterzugeben. Befindet er sich jetzt in der Pubertät, um herauszufinden, wer und was er ist?
Vielen Dank im voraus für die Antwort
Dagmar (39)

Liebe Dagmar,
dass er wieder Kind sein möchte, vermute ich weniger, denn er will ja nicht zum Kind, sondern zur Frau werden. Mit Ihrer Pubertätsvermutung kommen Sie schon näher ran. Ich denke, dass er als Kind und Jugendlicher keine richtige männliche Identifikationsfigur bekam. Es erscheint ihm nicht erstrebenswert, den Rest seines Lebens als Mann zu verbringen, weil er insgeheim sehr schlecht über Männer denkt und das für kein gutes Geschlecht hält. Ich frage mich nur, warum das jetzt erst durchbricht? Dafür kenne ich mich in der Thematik zu wenig aus.
Wie auch immer: Er will zur Frau werden, und das ziemlich rigoros, selbst auf die Gefahr hin, dass Ihre Beziehung zerbricht. Das heißt, letztlich ist ihm das Frauwerden wichtiger als Sie. Und dass er das nach einem Jahr einfach abbrechen kann, glaub ich nicht.
Eine weitere Frage ist ja auch: Wie ist die Beziehung? Wie geht er mit Ihnen um? Wie ist der Sex? Ist er noch zärtlich zu Ihnen? Fühlen Sie sich bei ihm noch geborgen und gut aufgehoben? Lieben Sie ihn noch, oder ist es mehr etwas anderes, was Sie verbindet?
Geben Sie sich nicht der Illusion hin, dass Ihre Beziehung nach all seinen Experimenten wieder so werden könnte wie früher. Fragen Sie sich lieber, ob Sie in Zukunft eine Beziehung mit einem Transsexuellen haben möchten. Das funktioniert für manche Frauen durchaus, für andere wiederum nicht.
Übrigens finde ich es völlig verständlich, dass Sie beim letzten Ausgehen verärgert waren und dementsprechend reagierten. Denn er zieht sein Ding durch, ohne Rücksicht auf Sie. Lassen Sie sich nicht den schwarzen Peter zuschieben. Sie müssen wissen, was Sie wollen und was Sie glücklich macht. Behalten Sie das im Auge, anstatt an etwas festzuhalten, was vielleicht keinen Bestand mehr hat.

Welche Webseite nun die besten „geeigneten Informationen“ liefert, kann ich Ihnen nicht sagen, weil es da ziemlich viele gibt, aber wenn Sie „transsexuell“ in eine Suchmaschine eingeben, dürfte auch einiges Brauchbare dabei herauskommen, zum Beispiel die Wikipedia-Seite über Transsexualität und “Trans-Infos”, die mehr die medizinischen Aspekte beleuchtet. Und natürlich können auch Bücher Ihnen mehr Wissen verschaffen, wie
• «Transidentität – ein unordentliches Phänomen. Wenn das Geschlecht nicht zum Bewusstsein passt»
und
• «Transsexualität – Transidentität: Begutachtung, Begleitung, Therapie».
Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder

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