Meine Geliebte lässt mich im Ungewissen und ich bin sehr verliebt
Liebe Beatrice,
da ich zur Zeit ziemlich durcheinander bin, kann ich auch meinen eigenen Schlüssen nicht mehr trauen und wende mich vertrauensvoll an dich. Ich habe über Internet eine sehr nette, liebe Frau kennengelernt, der Kontakt lief über diesen Weg viele Monate hinweg und wurde langsam, aber stetig, immer intensiver. Schließlich habe ich bemerkt, dass mir etwas fehlt, wenn der Kontakt einmal nicht da war. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich schon seit Jahren keine Beziehung mehr hatte und meine Sensoren in dieser Hinsicht vielleicht schon etwas überempfindlich sein könnten.
Jedenfalls erfuhr ich irgendwann, dass sie verheiratet ist, was ich bis dahin nicht wusste. Der Stich, den mir das versetzte, war enorm und zeigte mir, dass ich mich tatsächlich ein bisschen in eine Internetbekanntschaft verliebt hatte. Die Tatsache, dass sie getrennt lebt, aber ihre Ehe retten will, da ihr Mann ihr „Traummann“ sei, machte für mich eigentlich schon alles klar. Natürlich nur im Kopf. Das Herz ist da ja meist anderer Ansicht.
Ein paar Wochen später kamen wir auf Reisen zu sprechen und sie bot mir an, ein langes Wochenende mit ihr in einer sehr romantischen Stadt zu verbringen, da ich alleine keine große Lust auf Reisen habe. Wir hatten uns bis dahin noch nie gesehen, nur Fotos ausgetauscht, und so traf mich dieses Angebot etwas unerwartet. Voller Freude habe ich es dennoch angenommen. Ein paar Tage später kamen mir jedoch Bedenken und da ich immer versuche, offen zu sein, teilte ich ihr diese auch mit. Was würde ihr Mann dazu sagen, usw..
Das Gespräch führte letztlich dazu, dass ich ihr gestand, dass ich inzwischen etwas mehr als nur eine Internetfreundschaft in ihr sah. Sie freute sich, erklärte aber nochmal, sie sei nicht auf der Suche, fände meine Ehrlichkeit aber toll und hätte mich umso lieber deswegen. Ein Veto ihres Mannes aber würde die Wochenendreise verhindern. Damit schienen die Fronten geklärt und ich versuchte, mich damit abzufinden.
Nur kurze Zeit später allerdings brachen die Fronten auf beiden Seiten ein, sie forderte mich geradezu wörtlich auf, ihr zu gestehen, was ich empfinde – nur um dann ihrerseits das selbe Geständnis abzulegen. Wir schüttelten in gemeinsamer Anstrengung ein kurzfristiges Treffen aus dem Ärmel, bei dem wir uns nicht nur um den Hals fielen. Die relativ geringe Entfernung von 2 Autostunden erleichterte das Ganze. Seitdem ist meine Verliebtheit dabei, viel viel mehr zu werden.
Doch es ist ein bitteres Glück. Obwohl wir inzwischen jeden Tag über Internet und Handy stundenlang Kontakt haben und das nächste Treffen nur wenige Tage entfernt ist – da ist immer noch ihre Ehe. Sie war entschlossen, ihre Ehe zu retten, und ich würde alles durcheinander bringen, sagte sie mir. Nach wie vor scheint ihre Ehe aber unantastbar, während sie mir gleichzeitig sogar Gedichte schreibt (und ich natürlich zurück) und wir virtuell längst alle Grenzen gesprengt haben und dies bald auch im realen Leben tun werden, darüber sind wir uns einig. Bisher ist alles „geheim“… aber ich frage mich, ob dies noch lange gut gehen kann. Ich kann akzeptieren, „nur“ ihr „Geliebter“ zu sein. Aber mein Herz glaubt auch die Chance zu sehen, dass sie sich irgendwann doch für mich entscheidet, denn so fantastisch kann ihre Ehe nicht gewesen sein – sonst wären wir niemals so zusammen gekommen. Doch zur Zeit ist diese Ungewissheit oder Hoffnung das, was mich so ungeheuer quält. Hast du irgendeinen Rat für einen verliebten Mann wie mich?
Bert (33)
Hi Bert,
wenn ich deine Schilderung und meine allgemeinen Erfahrungen zusammennehme, muss ich dir leider sagen, dass deine Chance, mit dieser Frau tatsächlich mal eine richtige Beziehung zu haben (also sie aus ihrer Ehe loszueisen und mit ihr zusammen zukommen), nur bei etwa 10 bis 15 Prozent liegt. Erstens, sie scheint selbst nicht recht zu wissen, was sie will, zweitens, die Bande einer Ehe sind stark. Klar ist auch der Reiz des Neuen stark, aber eben auch vergänglich. Was letztendlich doch überwiegt, ist die lange Zeit, die man schon mit dem Partner verbracht hat, die Vertrautheit, die vielen Bande, die einen verknüpfen, und natürlich auch die finanzielle und praktische Seite. Du musst also abwägen, ob diese Liebe es dir wert ist, so ein hohes Risiko einzugehen (denn immerhin besteht ja noch eine gewisse Möglichkeit, dass du sie gewinnst). Falls du dich dafür entscheidest, um sie zu kämpfen, dann musst du sehr sehr geduldig und sehr sehr tolerant und verständnisvoll sein. Dann musst du die Ungewissheit aushalten. Setz dir selber ein Ultimatum, wie lang du dich zügeln willst (sie nicht mit Fragen und Drängen zu bombardieren).
Hier auf der Webseite unter den Rubriken „Affären/ Treue“ und „Liebe im Zwiespalt“ findest du einige Briefe, die in eine ähnliche Richtung gehen wie der deine.
Herzlichst
Beatrice Poschenrieder