Er will, dass ich abnehme und ordentlicher bin, gebe ich mich auf, wenn ich es tue?

Er findet mich zu dick und zu chaotisch, will, dass ich das ändere. Ich will so geliebt werden, wie ich bin, und nicht weil ich mich anpasse

Probleme mit dem Freund, weil ich zu dick und unordentlich bin

Hallo Beatrice,
ich (29) und mein Freund (38) sind gut ein Jahr zusammen, er behandelt mich gut, ist zärtlich, liebevoll, zuvorkommend, hilft mir und ist für mich da, ich bin bei Feiertagen auch bei seiner Familie eingeladen, kenne seine Freunde etc.. Es gibt zwar einige zeitliche Probleme, da er nur am Wochenende da ist und noch ein Kind aus der geschiedenen Ehe hat. Daher bin ich diejenige, die sich mit ihrer Planung an ihn anpasst, und ich habe mich inzwischen an die Wochenendbeziehung gewöhnt.
Nun das Negative: Mein Freund ist sehr ehrlich, nimmt dabei aber zu wenig Rücksicht auf meine Gefühle, als wäre ihm das nicht bewusst. Ich weiß, dass er es nicht böse meint, und in späteren Gesprächen über seine Äußerungen erläutert er auch, wie genau er das meint, und dadurch relativieren sich seine „harten“ Äußerungen.
Nun war er neulich in einer Disko, wurde von einer Frau eine Weile angelächelt und hatte das Bedürfnis sie anzusprechen (hat es aber nicht getan, weil er mir nicht weh tun wollte). Daraufhin hat er angefangen, über die Beziehung nachzudenken, denn für ihn bedeutete sein Bedürfnis sie anzusprechen, dass irgendetwas nicht stimmen kann. Eigentlich ist er aus Überzeugung treu, genauso wie ich.
Also habe ich ihn gefragt, was ihn denn stört. Das kam raus:

• Er ist unzufrieden mit meiner Figur (dabei war ich schon immer dick, habe aber in letzter Zeit 8 Kilo zugenommen, wiege jetzt 89 kilo bei 168 cm).
• Diskussionen über seine knappe Zeit frustrieren ihn, er hat das Gefühl, nicht genug Zeit für sich zu haben.
• Meine Unordnung nervt ihn.

Er sagte, keiner der Punkte würde ihn im einzelnen dazu bringen, Schluss zu machen. Aber alle drei zusammen würden ihn halt belasten und sind ihm auf Dauer zu viel.
Ich sagte ihm, er solle sich nun grundsätzlich überlegen, ob er mit mir zusammen sein will. Daraufhin sagte er anfangs, einerseits glaube er, so jemanden wie mich nie wieder zu finden, andererseits glaubt er, irgendwo da draußen könnte eine Frau sein, die so sei wie ich, nur ohne diese „Fehler“. Aber dass es sich dabei eher um etwas wie eine „Traumfrau“ handelt, die er jetzt auch nicht sucht. Aber an diesem Abend hätte ihn diese Vorstellung ja beinahe dazu gebracht, eine andere anzusprechen. Und das nur, weil sie gut aussah!!!
Es ist schon komisch, wenn der Partner glaubt, man sei ersetzbar. Das ist aber eine grundsätzliche Einstellung von ihm. Irgendwo hat er aus seinen Erfahrungen (verlassen zu werden) geschlossen, dass er und alle anderen Menschen immer ersetzbar seien.
Ich habe dann mal gefragt, was Liebe denn für ihn sei. Antwort: „Wenn alles stimmt, also wenn es nichts gibt, was einen an dem anderen stört.“
Irgendwie finde ich diese Antwort unreif. Es gibt immer Dinge, die einen stören, oder?

Nun hat er sich entschieden, mit mir zusammen zu sein und an der Beziehung zu arbeiten. Er will auch versuchen, meinen Bedürfnissen entgegen zu kommen, aber das wäre ja in geringerem Maße und weniger Aufwand, als ich betreiben muss! (Sport, Ernährungsumstellung etc.) Denn er und ich waren ja immer glücklich, wenn wir zusammen sind. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich bereit bin, meine Bude aufzuräumen, wenn er kommt, damit er sich wohl fühlt, und dass ich mich mit meinem Gewicht ja selbst nicht wohl fühle. Daher bin ich auch bereit, abzunehmen. Und ich weiß auch, dass er mich dabei unterstützt. Und der Punkt mit der Zeit, da kann man Kompromisse finden.
So, nun ist das mit dem Abnehmen aber irgendwie ein heikles Thema. Sicherlich will ich abnehmen, aber… Muss ich mich für ihn verändern, damit er mich dann mehr mag?! Gebe ich mich dann nicht selbst auf?
Nun weiß ich wiederum: er findet mich nicht attraktiv. Er macht nicht viele Komplimente (darin ist er nicht gut) und ich weiß, ihm gefällt mein Gesicht, mein Lächeln, mein Charakter. Aber nun ist es ja so, dass ihm mein Körper nicht gefällt! Aber warum ist der Sex dann so gut?! Das habe ich ihn gefragt und er meinte, weil es ihm Spaß mache, mit mir zu schlafen. Aber wie kann das sein? Kann man jemanden begehren, der einem körperlich nicht gefällt?!

Mich verwirrt dieses Gewichtsthema: Einerseits möchte ich so akzeptiert und gemocht werden, wie ich bin. Ich will nicht das Gefühl bekommen: Werde so und so, dann ist unsere Beziehung stabiler/besser, dann bekommst du mehr Gefühle von meiner Seite aus.
Andererseits kann ich verstehen, dass äußerliche Attraktivität (evtl. besonders bei Männern) ein Faktor in der Beziehung darstellt. Aber er hat mich ja nicht als Dünne kennengelernt. Er hat letztens gesagt: er hat da immer drüber hinweggesehen.
Er will ja auch nicht, dass ich so mager werde, und er meinte, es ginge ihm auch um das Bemühen, das „auf sich achten“… aber wo ist denn da die Grenze mit dem Abnehmen? Soll ich ihn festlegen lassen, wann ich denn nun „ok“ bin, wann ich seinen Vorstellungen einer attraktiven Frau entspreche?
Muss ich denn jetzt Angst haben, dass jede attraktive Frau eine potentielle Konkurrentin ist?! Denn die würde ja meinem Freund genau das geben, was ihm fehlt.

Ich will mit ihm zusammen sein und ich bin bereit, Kompromisse zu machen, und ich möchte auch für mich abnehmen.
Das mit dem Gewicht war für mich immer ein Manko, ein Fehler, eine mangelnde Disziplin, etwas, das ich ändern kann, denn ich habe schon mal 20 kilo abgenommen (Weight Watchers), aber das ging danach leider wieder hoch.

Ich bin verwirrt. Lasse ich zu viel mit mir machen? Bin ich zu flexibel, zu zuvorkommend, zu verständnisvoll? Ist er nicht schrecklich oberflächlich?
Ich danke dir,
Ruby (29)

Liebe Ruby,
du schreibst:
«Ich habe gefragt, was Liebe denn für ihn sei. Antwort: „Wenn alles stimmt, also wenn es nichts gibt, was einen an dem anderen stört.“ Irgendwie finde ich diese Antwort unreif. Es gibt immer Dinge, die einen stören, oder?»
Nein, das ist nicht unreif. Wenn man jemanden rumdum liebt, stören einen unwesentliche Dinge nicht. Aber deinen Freund stören wesentliche Dinge.
Außerdem: Es gibt Eigenschaften, die man nicht ändern kann (z.B. Körperhöhe), also am anderen akzeptieren muss, und es gibt Eigenschaften, die man durchaus ändern kann. Diese drei Punkte, die ihn stören, sind durchaus zu ändern, und es würde dir genauso zugute kommen wie ihm.

Du fragst:
«Kann man jemanden begehren, der einem körperlich nicht gefällt?!»
Begehren vielleicht nicht so sehr, aber man kann guten Sex haben. Der Appetit kommt dann sozusagen beim Essen und nicht beim Anschauen der Speiseauswahl.

Du schreibst:
«Ich will nicht das Gefühl bekommen: Werde so und so, dann ist unsere Beziehung stabiler/besser, dann bekommst du mehr Gefühle von meiner Seite aus.
Andererseits kann ich verstehen, dass äußerliche Attraktivität (evtl. besonders bei Männern) ein Faktor in der Beziehung darstellt.»
Begehren läuft bei Männern sehr stark übers Sehen, und die Liebe eines Mannes basiert unter anderem auf dem Begehren. Das ist etwas, was Frauen nicht einfach beiseite schieben dürfen mit dem Argument „ich will so geliebt werden, wie ich bin“.
Wir alle tun aktiv etwas dafür, dass wir von unseren Mitmenschen akzeptiert und angenommen werden, Tag für Tag. Wenn ich mich so gebe, „wie ich bin“: nun, dann brauch ich auch nicht meine Zähne zu putzen, mich zu waschen, mich anzuziehen usw. Ich bin doch wie ich bin, wie die Natur mich geschaffen hat – und alle müssen mich trotzdem mögen! Ansonsten sind sie oberflächlich und liebesunfähig!
Du weißt, was ich meine.
Also. Es gibt Männer, die stehen auf pummelige Frauen, aber die meisten würden eine Schlanke bevorzugen. Eine Frau kommt ja auch nicht dick auf die Welt. Sie wird dick, weil sie zu viel isst und sich zu wenig bewegt.
Nun sagst du:
«Aber er hat mich ja nicht als Dünne kennengelernt. Er hat letztens gesagt: er hat da immer drüber hinweggesehen.»
Nun, erstens hast du da mindestens 8 Kilo weniger gewogen, zweitens hat er da vermutlich gehofft, dass du von selbst noch etwas abnehmen würdest (vielleicht hast du ihm damals sogar gesagt, du würdest gern etwas abnehmen). Stattdessen hast du noch ordentlich zugelegt.
Und sei mal ehrlich: fast 90 Kilo bei 168 cm, das ist wirklich zu viel! Das belastet deine Gesundheit, deine Gelenke und Knochen, deine Energie, deine Beweglichkeit.

«Er will ja auch nicht, dass ich so mager werde, und er meinte, es ginge ihm auch um das Bemühen, das „auf sich achten“… aber wo ist denn da die Grenze mit dem Abnehmen? Soll ich ihn festlegen lassen, wann ich denn nun „o.k.“ bin, wann ich seinen Vorstellungen einer attraktiven Frau entspreche?»
Mann, Ruby, nun beruhige dich mal!!! Wenn du von 89 Kilo zum Beispiel 20 Kilo abnimmst, bist du von „mager“ noch ganz weit entfernt. Für “mager” oder auch “dünn” müsstest du dann nochmal 20 kilo abnehmen (was ja gar nicht nötig ist).

«Muss ich jetzt Angst haben, dass jede attraktive Frau eine potentielle Konkurrentin ist?! Denn die würde ja meinem Freund genau das geben, was ihm fehlt.»
Ach Quatsch. Er will einfach eine Frau, die er rundum gut findet, und da bist du ja schon ziemlich nahe dran.

«Ich will mit ihm zusammen sein und ich bin bereit, Kompromisse zu machen, und ich möchte auch für mich abnehmen. Das mit dem Gewicht war für mich immer ein Manko, ein Fehler, eine mangelnde Disziplin, etwas, das ich ändern kann, denn ich habe schon mal 20 kilo abgenommen…»
Wie du siehst, du kannst es schaffen.

«Lasse ich zu viel mit mir machen? Bin ich zu flexibel, zu zuvorkommend, zu verständnisvoll? ist er nicht schrecklich oberflächlich?»
Er ist nicht oberflächlich, wenn er dich erstens lieb haben und zweitens auch begehren und gern anschauen möchte. All das gehört zu Liebesgefühlen dazu und steigert sie.
Und vor allem: du ziehst ja selber auch etwas daraus! Nicht nur mehr Attraktivität und ein besseres Körpergefühl, sondern auch mehr Anziehung auf ihn!

«Muss ich mich für ihn verändern, damit er mich dann mehr mag?! Gebe ich mich dann nicht selbst auf?»
Sich selbst aufgeben – oder “verbiegen” – würde man nur dann, wenn es sich um Bereiche handelt, mit denen man selbst zu 100 % zufrieden ist. Wenn z.B. eine Frau ihren handlichen Busen mag und der Partner will, dass sie zwei Kilo Silikon reinoperieren lässt, dann würde sie sich verbiegen. Aber alle drei Dinge, die dein Freund sich wünscht, kommen dir selbst genauso zugute wie ihm (wenn nicht noch mehr!):

• Eine unordentliche Wohnung drückt aufs Gemüt, kostet oft mehr Zeit und Nerven als das bisschen Aufräumen. Das kann man oft auch neben dem Fernsehen oder Telefonieren her machen – oder die Dinge gleich verräumen, statt sie irgendwo hin zu werfen.
• Abnehmen willst du ja auch selbst.
• Diskussionen über seine knappe Zeit sind reine Zeit- und Energieverschwendung und schaffen nur ungute Schwingungen. Oder gehorcht er dir etwa freudig, wenn du dich darüber beklagst? Nein, ich schätze, es ist eher das Gegenteil der Fall. Wenn du seine Zeitknappheit einfach klaglos akzeptierst und dir deine eigene Zeit gut ausfüllst, wird er viel eher von selber auf dich zukommen und sich wieder mehr Zeit für dich freischaufeln.

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Herzlichst
Beatrice Poschenrieder

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