Zu hohe Erwartungen: Erwarte ich zu viel von meinem Partner, meiner Partnerin? Oder er/sie von mir?
Sind meine/seine/ihre Erwartungen berechtigt oder zu hoch? Was unterscheidet sie von Wünschen? Warum sind manche so fordernd?
Häufig ist es schwierig zu sagen, ob gewisse Ansprüche berechtigt oder übertrieben sind. Wie wir alle wissen, gibt es Menschen, die innerhalb von Beziehungen zu viele Erwartungen haben. Als erstes ist es wichtig, sie von Wünschen und Bedürfnissen zu unterscheiden. Letztere zu äußern, ist im Prinzip gut, weil man in einer Partnerschaft zu sich stehen sollte; und in diesem Fall ist man okay damit, wenn man es nicht oder nicht gleich erfüllt bekommt. Anders gesagt: Wünsche und Bedürfnisse äußern sich in Bitten, die auch ein „Nein“ erlauben. Hingegen Erwartungen sind fordernd, die Betreffenden wollen sie gleich bzw. auf jeden Fall erfüllt haben, und wenn das nicht geschieht, reagieren sie negativ auf den Partner, mit Enttäuschung, Frustration, Streit, Vorwürfen, Abwertungen u.ä..
Und man muss es auch unterscheiden von dem, was man von der Beziehung erwartet. Da gibt es durchaus berechtigte Dinge, also Werte, die man an die Beziehung anlegt, wie zum Beispiel Loyalität, körperliche Treue, Wohlwollen, Respekt, Rücksichtnahme und ein gewisses Maß an gemeinsam verbrachter Zeit… Das sind alles Zutaten, die für eine gute Partnerschaft förderlich sind. Erwartungen sind es nicht, weil sie den anderen fürs Nicht-Erfüllen bestrafen – früher oder später sorgt das für viel Missstimmung.
Ganz oft hat jemand auch etliche Erwartungen an den Partner, die dieser gar nicht erfüllen kann, weil er ganz anders tickt. In dem Fall es ist natürlich auch mal gut, sich zu fragen, ob man in der richtigen Beziehung ist.
Wenn in einer Paarbeziehung zwei Menschen sehr unterschiedlich gestrickt sind – etwa der eine sehr sportlich, der andere eher passiv, oder der eine sehr gesellig, der andere lieber zurückgezogen – gibt es ja grob gesagt zwei Möglichkeiten: Entweder ich akzeptiere, dass mein Partner so ist und lasse ihn so und muss manche Sachen irgendwie alleine hinkriegen; oder ich suche mir jemand, der besser passt. Aber sehr viele machen dann etwas Drittes, nämlich viele Erwartungen an den anderen richten und irgendwie ständig Enttäuschung zeigen. Für die Liebe ist das auf Dauer tödlich.
Wieso machen die das??
Warum manche Menschen so viele Erwartungen an die Beziehung haben und darin oft rigoros sind
Das sind in erster Linie die, die in der Kindheit nicht das bekommen haben, was ein Kind braucht. Beispiele: Das Kind wurde vernachlässigt oder zu wenig beachtet oder bekam keine bedingungslose Liebe, wurde zu wenig wahrgenommen in seinen Nöten und Befindlichkeiten (gerade bei kleinen Kindern sehr wichtig!), wurde überhaupt nicht wichtig genommen, sondern es musste nebenher laufen und funktionieren, oder vielleicht noch schlimmer: Wenn es sich mal regte, wurde es sogar bestraft oder ignoriert (was ja auch eine Form der Strafe sein kann). Und ganz viele, die sowas erleben mussten, haben später an den Partner oder die Partnerin einen unbewussten Auftrag der Wiedergutmachung – also sie wollen jetzt all das bekommen (teilweise sogar im Übermaß!), was sie in der Kindheit zu wenig bekommen haben. Und damit ist die Liebe natürlich überfrachtet!
Was dann passieren kann, ist, dass der Partner entweder blockt oder sich zurückzieht oder sich trennt oder sich zunehmend fragt: Um Himmels willen, mit was bin ich denn da zusammen??
Kurzum, es macht das Zusammensein schwierig und anstrengend.
Wie kann man das lösen?
Einfach ist es nicht, weil es ja oft um tief verwurzelte unbewusste Vorgänge geht.
Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass man an den Partner zu hohe Erwartungen hat, unter anderem die, dass er etwas ausbügelt, was andere an einem ausgefressen haben. Das ist ungerecht und nicht in Ordnung.
Der zweite, viel entscheidendere Schritt ist, dass man im tiefsten Innern Frieden schließt mit seiner Vergangenheit, mit seiner Kindheit und sich aktiv selbst um die Wiedergutmachung kümmert: Liebevoll mit sich umgeht, sich unerfüllte Bedürfnisse und Wünsche selber erfüllt. Bei manchen wird sich jetzt einiges sträuben, das zu lesen, weil sie es für selbstverständlich und berechtigt halten, dass das die Aufgabe des Partners ist – ist es aber nicht!
Bitte lies dazu unbedingt diese Beiträge:
• Sich selber im Weg stehen: Blocking Six, die sechs größten Selbst-Blockaden
• Hat das Innere Kind wirklich Einfluss auf mein Verhalten und meine Beziehung?
• Beziehungsproblem: Ich bin zu eifersüchtig und habe zu hohe Erwartungen
Noch ein kleiner Satz zum Schluss: Ich glaube, die Menschen, die an andere die wenigsten Erwartungen haben, bekommen viel mehr Wünsche erfüllt als die, die viele Erwartungen haben.
Und hier das Youtube-Video dazu:
© Beatrice Poschenrieder