Platzangst! Ich habe einen tollen Freund, aber es wird mir zu eng und ich grüble zu viel

Trotz meiner Angststörung habe ich meinen Traummann gefunden und er liebt mich, aber plötzlich wird es mir zu eng in der Beziehung!

Die Beziehung wird mir zu eng, und ich grüble zu viel

Liebe Beatrice!
Da ich von meinem Gedankenkreis nicht rauskomme und mich immer mehr reinsteigere und daran verzweifle, habe ich mich entschieden Dir zu schreiben. Ich lebe seit über 1,5 Jahren in einer sehr guten Partnerschaft. Wir haben uns damals unglaublich ineinander verliebt und uns von unseren (mittlerweile Ex-)Beziehungen getrennt, um zusammen zu sein.
Ich war nie wirklich in meinem Ex-Freund verliebt, habe mich aber auch nicht getraut Schluss zu machen und habe mir immer wieder eingeredet, dass ich vielleicht doch verliebt bin und es nicht merke… Ich bereue es zwar überhaupt nicht, denn ich habe meinen Traummann gefunden, aber ich habe Angst, dass mir sowas wieder passiert. Mit meinem jetzigen Freund ist alles ganz anders: Immer noch wenn ich ihn anschaue, denk ich mir, wie gut er ausschaut, und ich habe immer noch ein großes sexuelles Verlangen nach ihm. Es nerven mich zwar auch Sachen an ihm, die mit der Routine zu tun haben, wir streiten auch ab und zu, aber ich habe noch nie an der Beziehung aus so einem Grund, den man ausdiskutieren kann, gezweifelt!
Er hat es mit mir auch nicht einfach gehabt… Als wir uns kennenlernten, erholte ich mich gerade von einer Depression, hatte immer wieder ein Tief und blockte ihn mit meiner Starrheit ab. Er hat mir dabei sehr geholfen, denn diese Tiefs kommen mittlerweile immer seltener, ich bin auch nicht mehr bulimisch, nur die generalisierte Angststörung ist bis zu einem gewissen Punkt geblieben. Ich habe auch vor ca. 3 Monaten mit den Antidepressiva aufgehört…
Und jetzt zum eigentlichen Problem: Eine gute Freundin hat mir erzählt, dass sie heiratet, und ich war zwar glücklich für sie, aber seitdem habe ich irgendwie Platzangst… Ich fing an mich sehr eigenartig zu fühlen. Vielleicht hing das nicht einmal mit dieser Nachricht zusammen oder dass ich eine gewisse Verpflichtung verspürt habe, weil ich anschließend meinen Eltern erzählt habe, dass ich auch mal ein „weißes Kleid“ anziehen will (selbstverständlich mit meinem jetzigen Freund)… Jedenfalls habe ich seitdem angefangen, meinen Freund anders anzuschauen, wollte nicht, dass er mir zu nahe kommt, habe an meinen Gefühle für ihn gezweifelt, obwohl ich weiß, dass ich ihn liebe.
Aber dann denke ich mir, wenn ich diese Zweifel habe, muss was nicht stimmen, und so drehe ich mich im Kreis. Dann steigere ich mich so rein, dass ich mir denke, ich brauch Platz und vielleicht wäre es besser, zu gehen… Ich sage ihm das in der Hoffnung, dass es mir danach besser geht und ich mich erleichtert fühle… Das passiert aber nicht, und wenn es mir besser geht, will ich am Abend wieder zu ihm (obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, mir Raum für mich zu nehmen)…
Ich bin immer noch lieb und zärtlich zu ihm, aber gleichzeitig denke ich, machst du das jetzt, um dich selbst zu betrügen? und so verderbe ich jeden gemeinsamen Moment und mein Kopf wird immer schwerer und schwerer und ich verzweifelter… Denn ich habe Angst, dass ich alles kaputt mache und die Beziehung beende, obwohl ich das gar nicht will… Aber ich kann mich nicht einmal daran festklammern, denn sofort danach zweifle ich auch daran, und denke mir, ist es, weil ich ihn wirklich liebe und bei ihm bleiben will, oder weil ich Angst davon habe, die Beziehung zu beenden ohne eigentlichem Grund? Denn einerseits wünsche ich mir, mit jemanden länger zusammen zu bleiben, andererseits bin ich an häufigen Tapetenwechsel gewöhnt (bin seit meiner Geburt alle paar Jahre in einer anderen Stadt oder sogar in einem anderen Land)… Ich will aber nicht, dass meine Beziehung daran scheitert.
Oder rede ich mir das ein, weil ich nicht mehr verliebt bin? Mach ich jetzt genau das, grüble ich? Oder ist es tatsächlich ein Zeichen, dass irgendwas in meiner Beziehung nicht stimmt? Vielleicht haben diese Ängste nichts mit meinem Freund zu tun. Aber warum richte ich sie dann an ihn?
Ich habe mit meinem Freund darüber geredet und er meint, solche Phasen sind in einer Beziehung normal! Stimmt das wirklich? Und können solche Gedanke aus dem Nichts (z.B. ohne Streit usw.) kommen? Wie kriegt man sie weg? Ich will raus aus diesem Teufelskreis der destruktiven Gedanken! Ich will meine Beziehung einfach nur genießen!
Liebe Grüße, Alexa (29)

Liebe Alexa,
du hast einen tollen Freund und ich denke schon, dass du ihn liebst, aber deine Psyche spielt dir derzeit übel mit. Eigentlich tut sie das ja schon immer (mal mehr, mal weniger). Deine Depressionen sind zwar geringer geworden, dafür sind an ihre Stelle Nähe- und Bindungsängste getreten. Die Depressionen, die Bindungsängste und die Bulimie haben vermutlich alle die selbe tiefere Ursache, und zwar deine generalisierte Angststörung zusammen mit etwas anderem, vielleicht einem Mangel an Selbstwertgefühl. Ich glaube, dass tief in deinem Unterbewusstsein etwas ist, was es dir schwer macht, glücklich zu werden. Etwas, was immer wieder leise flüstert: „Du verdienst es nicht, dass es dir gut geht! Du verdienst es nicht, geliebt zu werden! Du bist nicht liebenswert!“
Deswegen solltest du unbedingt, um deine Beziehung zu retten und um endlich 100 % glücklich zu werden, eine richtige Psychotherapie anfangen. Bei einer guten Therapeutin – nicht beim Psychiater!! Lass dich nicht bloß mit Tabletten abspeisen! Du musst an deine Wurzeln ran, an deine Kindheit und Jugend, an deine tiefsten Ängste und Verletzungen. Das wird nicht leicht, aber es lohnt sich – für diesen tollen Mann allemal.
Bitte geh zu deinem Hausarzt oder bei wem auch immer du bisher warst wegen deiner seelischen Störungen, lass dir eine umfangreiche Psychotherapie verschreiben und such dir eine gute Therapeutin. Unterstützend dazu (nicht stattdessen!!) lies bitte diese Bücher (sie werden dir die Therapie leichter machen):
• «Wenn dunkle Wolken die Lebensfreude eintrüben: Der Selbsthilfe-Ratgeber gegen Depressionen»

• «Ich muss nicht alles glauben, was ich denke: Das Grübeln beenden, gelassener leben»

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Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder

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