Meine Freundin hat ständig Wehwehchen, keinen Tag fühlt sie sich mal gut. Es nervt
Es tut ihr ungelogen täglich (!) irgendwas weh. Bauch-, Glieder-, Nacken-, Kopfschmerzen, Kälteempfindlichkeit, Fieber bis hin zu Herzrasen
Hallo Beatrice,
ich (24) bin seit zweieinhalb Jahren eigentlich glücklich mit meiner Freundin (21) zusammen. Wir sind vor einem Jahr zusammengezogen und haben uns kurz darauf für eine Eigentumswohnung entschieden. Im Prinzip fühlen wir beide uns sehr „angekommen“ und sehr wohl in der Wohnung und auch in unserer Beziehung. Ich bin ihre längste und sie ist meine längste Beziehung. Wir gehen respektvoll, liebevoll und verständnisvoll miteinander um, haben tollen, regelmäßigen Sex und sind definitiv auf einer Wellenlänge.
Selbstverständlich streiten wir auch mal, aber in gesundem Rahmen, und wir sind beide in der Lage uns auch zu entschuldigen, wenn mal jemand über die Stränge geschlagen hat.
Das Einzige, was mich stutzig macht und mittlerweile auch sehr stört, sind ihre ständigen Wehwehchen. Es ist nicht gelogen, wenn ich behaupte, dass sie täglich (!) irgendwelche Schmerzen hat. Es fängt bei Kopfschmerzen an, geht über Bauchschmerzen, großes Kälteempfinden, Fieber, Gliederschmerzen, Nackenschmerzen bis Herzrasen und solche Geschichten.
Selbstverständlich nicht alles auf einmal, aber mindestens einmal am Tag eine der oben genannten
Probleme kommen vor. Anfangs habe ich ihr viel geholfen, sie gepflegt, Tee gekocht, Kissen und Decken geholt, halt mich gekümmert, wie man es so macht. Aber irgendwann wurde mir das einfach zu viel.
Das führte soweit, dass ich ihre Äußerungen mittlerweile nur noch müde belächle. Sobald sie wieder eine Schmerzempfindung äußert, reagiere ich genervt darauf und blocke ab.
Ich weiß, das ist nicht die feine englische Art, aber JEDEN Tag??? Irgendwann reicht es mir auch.
Ich habe schon versucht, auch in Anbetracht ihres Alters, sie ist 21 (!!!), mal vorsichtig einen Besuch
beim Psychologen anzusprechen und habe angeboten mitzugehen, aber sie macht dicht bei dem Thema.
Ich komme so nicht an sie ran, ich halte das aber auch nicht mehr lange aus, ich möchte gerne „Freund“ sein und kein Krankenpfleger, denn einen Hauptberuf habe ich bereits und brauche keinen zweiten.
Seltsam ist auch die Reaktion ihrer Eltern, wenn meine Freundin sie anruft, weil sie Wehwehchen hat (sie haben beide neue Partner, verstehen sich aber noch gut). Ihr Vater macht sich meist über sie lustig und nimmt sie nicht ernst (in ALLEN anderen Belangen ist er allerdings immer für sie da!) und ihre Mutter ist eine ÜBERmutter und versorgt sie, wo es nur geht. Vielleicht hängt das irgendwie damit zusammen?
Kannst Du mir helfen? Ich bin wirklich verzweifelt, was das angeht.
Danke schonmal und Gruß!
Kevin
Kostenloser Rat von der Paarberaterin:
Lieber Kevin,
ich verstehe es absolut gut, dass du von diesen ständigen Wehwehchen und Überempfindlichkeiten genervt bist – du hast guten Grund dazu, denn es ist in der Tat seltsam, dass eine 21jährige, die vermutlich kein organisches Leiden hat, sich dauernd unwohl fühlt und niemals unbeschwert ist. Das belastet natürlich auch den Partner und die Beziehung, denn als liebender Partner möchte man ja, dass es der Liebsten gut geht, aber merkt irgendwann, dass das einfach nie aufhört und einem echt zu viel wird.
Du schreibst:
„Seltsam ist auch die Reaktion ihrer Eltern, wenn meine Freundin sie anruft, weil sie Wehwehchen hat. Ihr Vater macht sich meist über sie lustig und nimmt sie nicht ernst … und ihre Mutter ist eine ÜBERmutter und versorgt sie, wo es nur geht. Vielleicht hängt das irgendwie damit zusammen?“
Ja, auf jeden Fall hängt das zusammen. Du kannst davon ausgehen, dass es schon in ihrer Kindheit so war, dass sie am meisten Zuwendung bekommen hat, wenn sie Wehwehchen, Krankheiten und Leiden hatte, es ihr also irgendwo nicht gut ging. Das ist in ihrem Gehirn als dicke fette Verknüpfung angelegt, so nach dem Motto: „Ich will ganz viel Aufmerksamkeit und Zuwendung, und die kriege ich am meisten, wenn es mir nicht gut geht.“
Also sorgt ihr Unbewusstes dafür, dass sie ständig irgendwas hat. Wie gesagt: es läuft unbewusst! Daher ist das 1) nicht leicht zu durchblicken 8für sie selbst am wenigsten),
2) für sie nicht leicht, das zu akzeptieren,
3) nicht leicht, es gehen zu lassen, denn es hat ja Vorteile für sie.
Das Fatale ist, dass du diese Verknüpfung/ diesen Mechanismus am Anfang auch gefüttert und verstärkt hast, sodass sie gelernt hat, dass es bei dir auch funktioniert.
Im Grunde ist das schon richtig, was du jetzt machst: du spielst nicht mehr mit. Allerdings hilft das noch nicht, es aufzulösen, denn ihr Vater (der, als sie klein war, vermutlich auch mitgespielt hat) macht es ja ähnlich wie du, aber das reicht nicht, sie dazu zu bringen, sich zu hinterfragen und zu versuchen, diesen Wehwehchen-Mechanismus loszuwerden. Genau genommen sprechen wir hier von Psychosomatik oder einer „Somatisierungsstörung“. Meistens ist das tatsächlich nur mit einer gezielten Psychotherapie aufzulösen.
Was rate ich dir?
Du musst dir klar machen, dass dieses Problem auf Dauer eure Beziehung und Liebe untergraben wird, wenn du dich nicht traust, eine klare Position zu beziehen und sie damit zu konfrontieren, dass sie ein ausgewachsenes Problem hat, was dich sehr belastet. Dies könnte z.B. so aussehen: Du sagst ihr ebenso deutlich wie mir: „Ich halte das aber auch nicht mehr lange aus, ich möchte gerne Freund sein und kein Krankenpfleger, denn einen Hauptberuf habe ich bereits und brauche keinen zweiten. Und deine Mama bin ich auch nicht und du nicht mein Kindchen.“
Ferner sagst du ihr, dass es nicht normal ist, dass sie so viele Wehwehchen und Überempfindlichkeiten hat, dass du davon genervt bist und möchtest, dass sie erkennt, dass das ein medizinisch-psychologisches Problem ist, was fachlich behandelt werden muss. Und zwar bitteschön bald und nicht irgendwann.
Sag es deutlich, aber ruhig und freundlich, und wenn sie blockt, dann beharre trotzdem drauf, selbst wenn es bei euch zu mieser Stimmung führt. Denn wenn du unterschwellig ganz oft miese Stimmung hast, aber sie nicht richtig äußerst, ist das letztlich viel schlechter für eure Liebe.
Ferner rate ich dir, keine Rücksicht mehr auf ihre Zipperlein zu nehmen, sondern sie zu behandeln, wie du eine „normale“ 21jährige behandeln würdest – sprich, man kann ihr was zumuten und man kann sie auch drauf aufmerksam machen, dass sie bestimmte Sachen (wie Kälte) akzeptieren lernen muss. Denn es macht ja nicht wirklich Spaß, eine Partnerin zu haben, die sich häufig benimmt wie ein fünfjähriges Prinzesschen.
Hier ein paar interessante Beiträge rund um die Thematik:
• Trennung nach Beziehungsstress! Ich will sie zurück, wie weit muss ich mich verbiegen? Teil 1
• Ich will sie zurück! Wie weit darf oder muss ich mich für sie verbiegen? (Teil 2)
• Sie trennte sich plötzlich von mir, lag es an ihren ständigen Krankheiten?
• Unsere Beziehung ist so wackelig, dass es mich total runterzieht. Schluss machen?
• Drama-Queen: In jeder Beziehung inszeniere ich Dramen – warum?
Ich wünsch dir Kraft zum „Gegenhalten“
Beatrice Poschenrieder