Ist es nur meine psychische Störung, die meine Beziehungen zerstört?
Liebe Beatrice,
ich bin zwar schon ein älteres Semester (44), aber nicht mit sehr viel Erfahrung gesegnet. Habe mit 20 ein Kind bekommen, dieses allein groß gezogen und während dieser Zeit nur einige sehr kurze Männerbekanntschaften gemacht. Grund dafür war sicher, dass ich die ganze Zeit mit großen psychischen Problemen zu tun hatte (begründet in der Kindheit – meine Mutter hat sich das Leben genommen, als ich 7 Jahre alt war, niemals wurde mit uns Kindern darüber gesprochen, sie war eben weg und das war´s, danach zwei sehr kaltherzige Stiefmütter, einen desinteressierten Vater und niemanden, der uns Kindern beistand, sondern nur Leute, die uns “ungezogenen“ Kindern die Schuld gaben).
Nun habe ich im Internet vor einiger Zeit einen Mann kennen gelernt, wir haben oft telefoniert, bevor wir uns das erste Mal getroffen haben. Wir verstanden uns sehr gut, weil wir in unserem Leben ähnliche Dinge erlebt haben. Wir haben uns trotz räumlicher Entfernung öfter getroffen und sind auch zusammen verreist. Das ging auch gut, aber leider hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass es nicht gut gehen kann mit uns (bin der Meinung, wir könnten uns keinen Halt geben gegenseitig, ich wäre nicht gut für ihn, ich wäre nur der Notnagel und ähnliches). Aus diesem Grund und weil ich viele Dinge, die er getan hat, falsch verstanden habe, mit ihm aber nicht darüber gesprochen habe und es ihm dann aber immer furchtbar übel genommen habe, habe ich etliche Male versucht, die Beziehung zu beenden. Er konnte mich immer wieder überzeugen bzw. tat es mir selbst irgendwann leid und wir versuchten es noch einmal. Irgendwann fühlte ich mich von ihm jedoch so gekränkt, dass ich eine Auszeit wollte und mich dann nicht mehr gemeldet habe, weil ich hoffte, es wäre irgendwann vorbei.
War es aber nicht, ich habe 2 Jahre lang jeden Tag an ihn gedacht, war sehr oft auch wütend, nur vergessen hatte ich ihn nicht. So habe ich mich nach 2 Jahren bei ihm gemeldet, um mit ihm noch einmal über alles zu sprechen. Wir waren uns sofort wieder so vertraut und beide froh als wir uns wiedersahen. Wir haben uns dann vorgenommen, uns einfach ohne große Erwartungen immer mal zu treffen bzw. etwas gemeinsam zu unternehmen. Das ging auch eine kurze Zeit und dann waren wir wieder am gleichen Punkt. Ich dachte, er will nicht wirklich etwas von mir und es wäre nicht gut, und ich habe ihm wieder vieles übel genommen, statt es anzusprechen. So ging es einige Male, bis ich irgendwann am Telefon ausgeflippt bin, und wir beide sagten, es hat keinen Sinn. Nur leider hat es mir sofort leid getan und ich dachte, ich hielte es niemals aus, ihn nie wiederzusehen. Wir trafen uns dann noch einmal, er sagt, er nimmt es mir nicht wirklich übel, aber er hat keine Lust mehr darauf, wegen Sachen, die für ihn normal sind, immer wieder in die gleichen Situationen zu geraten. Er könnte sich vorstellen, dass man Sex hat und zusammen etwas unternimmt, aber keine Beziehung, eher eine lose Freundschaft.
Aber er glaubt, damit käme ich nicht klar. Im Moment halte ich es eigentlich für eine gute Idee, aber es wird sich zeigen. Ein großes Problem außer meiner psychischen Störung (leide wohl an Borderline) ist auch, dass ich so wenig Erfahrung mit Männern habe und vielleicht deshalb so große Erwartungen (z.B. was das Anrufen betrifft u.ä.). Er sagt, dass er manche Dinge (wie z.B. Blumen schenken) einfach nicht macht, aber er meint er mache es eben auf seine Art.
Nun ist meine Frage, was hältst du von so einer Übereinkunft (also „Freundschaft plus“)? Oder wäre es besser sich zu trennen? Bin ich nur zu feige und es wird doch irgendwann zu einem letzten endgültigen Crash kommen? oder sollte man sich noch einmal Mühe geben? Ich mache schon lange Therapie, er und ich haben jedoch das Gefühl, es ist noch ein sehr langer Weg für mich.
Er selber hat lange an Depressionen und anderen Problemen gelitten, ist aber jetzt der Meinung, er hat seinen Frieden gefunden bzw. einen Weg, damit umzugehen und er kann sich so annehmen, wie er ist, was ich leider überhaupt nicht kann.
Mein Problem ist auch, dass ich ein sehr verletzlicher Mensch bin, im Prinzip kann mich jeder fertig machen, und weil ich das nicht will und weil ich ja mein Leben mit Kind irgendwie meistern musste, also immer funktionieren musste, habe ich mir angewöhnt, nach außen mich cool zu geben. Leute, die mich kaum kennen, halten mich für ausgeglichen, ich möchte es eigentlich nicht, aber ich kann nicht jedem meine Verletzlichkeiten zeigen, schon gar nicht auf Arbeit, das ist ein Raubtierkäfig. Leider ist diese Coolness ja nur Fassade und durch irgendeine Kleinigkeit sofort zu erschüttern und dann flippe ich auch mal aus oder reagiere übermäßig.
Ich wäre sehr froh, wenn du mir schreiben würdest, was für einen Eindruck du hast.
Margit (44)
Liebe Margit,
ich tu mir etwas schwer, dir zu antworten, weil ich nicht genau abschätzen kann, inwieweit deine Probleme bezüglich dieses Mannes mit deinem Borderline-Syndrom zusammenhängen und inwieweit damit, dass ihr nicht so gut zusammenpasst. Ich denke, es ist beides. Aber möglicherweise liegt es stärker an deinem Borderline. Ich kenne mehrere Menschen mit dieser Störung, vor allem Frauen, und ich habe bei allen erlebt, wie zerstörerisch sie für Beziehungen ist. Das Problem ist, dass jemand mit Borderline immer wieder von massiven Ängsten gebeutelt wird und dann wie durch eine Negativ-Maske alles am Partner negativ interpretiert, selbst wenn es bei weitem nicht so gemeint ist. Sobald der Partner etwas tut, was nicht im Sinne des Borderliners ist, betrachtet dieser es als gegen sich gerichtet, obwohl es das ja gar nicht ist. Menschen haben nun mal unterschiedliche Bedürfnisse und Verhaltensweisen, aber Borderliner haben oftmals ein Problem damit, das zu akzeptieren bzw. sich in den anderen hineinzuversetzen; das ist aber kein böser Wille, sondern es liegt an den extremen Ängsten, die im Innern das Regiment haben und leider auch die Wahrnehmung ins Extreme verzerren.
Insofern kann ich nur allen mit dieser Störung raten: Möglichst nicht so viel sich an der Beziehung aufreiben, sondern zusehen, dass man die Störung möglichst gut in den Griff bekommt! Und wenn du schon jahrelang Therapie machst, aber sie offenbar noch nicht viel genützt hat, ist vielleicht deine Therapie oder der/die Therapeut/in nicht die richtige? Versuch mal probehalber eine andere und hör dich auch um.
Noch eines vielleicht: Borderliner sind emotional instabil, brauchen also emotional stabile Partner. Der deine scheint das nicht so zu sein, oder? Wenn er früher mal selber massive Probleme hatte, können die jederzeit wieder durchbrechen.
Sorry dass ich dir nichts Positiveres sagen kann…
Beatrice Poschenrieder
Liebe Beatrice,
vielen Dank für Deine einfühlsame Antwort. Ich bewundere wirklich sehr, was Du machst. Ich habe auch ein Buch von Dir gelesen und habe das Gefühl, Du hast gefunden, was Dir entspricht und wo du Dich verwirklichen kannst.
Deine Antwort auf meine Frage hat mich nachdenklich gemacht, aber das kann ja nicht schaden, dass ich ein paar Dinge neu überdenke. Im Moment ist es bei uns so, dass wir es einfach probieren, keine riesigen Ansprüche, aber viel Mut und Zuwendung, vielleicht kann man dieser blöden Borderline-Krankheit doch ein Schnippchen schlagen.
Und du hast recht, auf alle Fälle mache ich weiter Therapie. Es ist so, dass ich viele Jahre bei einer Therapeutin eine Psychoanalyse gemacht habe, aber im Nachhinein sage ich, dass diese Therapie nicht so viel gebracht hat. Jetzt bin ich seit 1,5 Jahren bei einer anderen Therapeutin, mache eine Verhaltenstherapie und habe das Gefühl, es ist wirklich viel passiert und ich habe im Gegensatz zu der anderen Therapeutin auch das Gefühl, dass da ein guter Draht ist. Manchmal bin ich zwar hoffnungslos, aber ich sehe die Änderungen und habe dann wieder Hoffnung. Und auch mein Freund hat, glaube ich, viel Geduld, es macht ihn nur manchmal traurig, dass ich ihn für nicht stark genug halte. Möglich ist ja, dass ich da etwas von meinen Ängsten in ihn hineinprojiziere. Ja, wir werden sehen, was daraus wird.
Noch einmal vielen Dank
Margit