Gefährdet Zank oder Streit die Beziehung? Sind kleine Machtspielchen normal?
Zank, Streit, Kabbeleien, Machtspielchen, dicke Luft in einer Partnerschaft: Was ist normal, wann wird es gefährlich für die Paarbeziehung?
Frage:
Mein Partner und ich, wir lieben uns, und eigentlich ist es eine sehr gute Beziehung. Das einzige, was öfter mal vorkommt: Streitereien. Genauer gesagt, dass wir uns über läppische Kleinigkeiten zanken („Du wolltest um 19 Uhr anrufen, jetzt ist´s 20 Uhr…“). Allerdings merken wir beide, dass es uns oftmals nur darum geht, zu schauen, wer als erstes nachgibt. Das passiert aber nicht so oft. Öfter kabbeln wir uns halt einfach nur.
Sind diese kleinen Machtspiele normal? Siehst Du darin eine Beziehungsgefahr?
Manchmal kommt es auch vor, dass wir uns mal uneinig sind, und dann gibt es eine Weile lang Schweigen und dicke Luft zwischen uns. Ist das beunruhigend?
Antwort von der Paarberaterin:
Das klingt tatsächlich nach einer ganz normalen guten Beziehung!
Du willst wissen: Sind diese kleinen Machtspiele normal? Naja, das, was du beschreibst, sind nicht wirklich Machtspiele; es geht eher um „Wie sehr liebt er/ sie mich?“ Oftmals geht es auch darum, zu sich selbst zu stehen – zu dem, was man möchte und für richtig hält. Und manchmal geht es auch ums Ausloten von Grenzen.
Und Menschen verstehen ja was Untereschiedliches unter Streit – manche empfinden schon harmlose Zänkereien als Streit, bei anderen fliegen da schon heftig die Fetzen.
Daher würde ich die Frage eher so formulieren: Sind kleine Kabbeleien in einer Paarbeziehung normal?
Ja.
Sehe ich darin eine Beziehungsgefahr? Nur wenn der Zank überhand nimmt und einen merklichen Teil eurer gemeinsamen Zeit vergiftet. Überprüft es anhand dieser Formel:
Wieviel Streit ist zuviel? Faustregel:
Wenn mindestens ein Fünftel eurer gemeinsamen Zeit durch negative Kommunikation geprägt ist – dazu zählen neben Streit auch dicke Luft, Vorwürfe, Schuldzuweisungen, Abwertungen usw. – dann ist eure Beziehung höchst gefährdet. Das heißt: Wenn ihr euch z.B. fünfmal die Woche seht und davon ein Tag eben so negativ ist, dann müsst ihr was machen, z.B. Paarberatung!
Aber mal ausnahmsweise ein paar Stunden miteinander schmollen, das ist noch kein Grund zur Beunruhigung.
Streit, Zänkereien, Nicht-Nachgeben, Grenzen ausloten, Auseinandersetzungen: All das gehört zu einer lebendigen Beziehung. Denn es wird nie zwei Menschen geben, die genau gleich sind und immer das gleiche wollen. Es gibt immer Punkte, wo der eine dies will, der andere das, oder der eine dies meint, der andere das. Und darüber muss man sich auseinandersetzen, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen – durch Verhandeln. Ganz wichtiger Punkt! In gesunden Beziehungen wissen beide, dass man Dinge verhandeln kann.
In den Partnerschaften, in denen es (angeblich) nie Auseinandersetzungen gibt, ist was faul! Meistens ist es bei diesen Paaren so, dass entweder alles unter den Teppich gekehrt wird oder dass einer von beiden sich stets unterordnet. Beides rächt sich auf Dauer: Entweder die Beziehung wird gleichförmig und fad, oder bei dem, der sich immer zurückhält, staut sich im Lauf der Zeit ganz viel an, und er oder sie ex- oder implodiert eines Tages… Oft sind das die, die auf einmal ausbrechen oder verschwinden; du kommst nach Hause und er/ sie ist weg mitsamt Klamotten und Zeugs. Oder es wird zu jemand anderem übergewechselt, oder der/die Untergeordnete ist nicht mehr reizvoll für den anderen.
So dienen Auseinandersetzungen auch dazu, seine Individualität zu wahren – das ist sehr beziehungsförderlich, denn so wird man einander nicht so schnell langweilig und das „Prickeln“ bleibt gewahrt.
Es ist also wichtig, zu den Dingen zu stehen, die man/frau meint und möchte, und dies zu vertreten – aber auch bereit zu sein, eine neue Position einzunehmen. Oder (wie gesagt) man verhandelt.
Wichtig ist vor allem, dass man „fair“ streitet und diskutiert: nicht verletzend wird, nicht allzu unsachlich, nicht verallgemeinernd („immer bist du..“, „nie machst du…“); sehr kontraproduktiv ist auch, in uralten Geschichten herumzurühren oder dem Partner ein Etikett aufzukleben („Du bist und bleibst …“).
Wichtig ist ebenso, dass man nie aus den Augen verliert, worum es eigentlich geht (nein, es geht nicht um die eine Stunde, die du zu spät angerufen hast! sondern darum, dass sie das Gefühl hat, du hast sie „vergessen“ oder denkst nicht so viel an sie wie sie an dich), und letztendlich eine machbare Lösung oder den erwähnten gemeinsamen Nenner findet.
Wenn ein Streit in eine finstere Sackgasse geraten ist, ist Humor ein guter Ausweg, oder auch eine kleine versöhnliche Geste: z.B. sich in den Arm nehmen oder den Partner einfach nur berühren.
Es kann nicht schaden, wenn du für euch beide dazu diese beiden Bücher besorgst, wo es gute Tipps und Hintergrund-Infos bezüglich Streiten gibt:
• Streit ist auch keine Lösung: Wie Sie in Ihrer Partnerschaft das bekommen, was Sie wirklich wollen
• Konflikt und Streit: Wie wir konstruktiv mit ihnen umgehen
Ganz unten bei den „Verwandten Beiträgen“ gibt´s noch ein paar interessante Texte dazu, und hier das Video:
© Beatrice Poschenrieder