Mitleid? Ich kann meine Frau nicht verlassen, weil sie so viel mit mir erdulden musste

Sie musste so viel aushalten (meine Krankheit, Wahnvorstellungen, Depressionen, Hin und Her mit der Geliebten), da kann ich doch nicht gehen!

Ich kann meine Frau aus Mitleid nicht verlassen, sie musste so viel mit mir mitmachen

Liebe Beatrice,
ich bin 43, seit 17 Jahren mit meiner Frau zusammen, die ich vor 15 Jahren heiratete. Wir haben zwei Kinder, 15 und 12 Jahre alt.
Als ich meine Frau zuerst kennenlernte, war ich noch Jungfrau (damals 26 Jahre alt) und hatte mir immer vorgestellt, mit einer Frau bis ans Lebensende zu leben. Ich war am Anfang zutiefst in meine Frau verliebt, es war eine neue Welt für mich. Sie hat mir mal gesagt, wie es sie beeindruckte, was für eine große Lust und Energie ich beim Sex hatte, fügte noch hinzu, dass ich vielleicht “Nachholbedarf” hatte. Ich habe auf jeden Fall bemerkt, dass ich einen starken sexuellen Trieb hatte, und denke, dies habe ich immer noch.
Nach zweieinhalb Jahre Beziehung wurde unser erstes Kind geboren, und danach fing vielleicht mein Leiden an, ohne dass ich es wirklich wahrgenommen habe, denn der Sex zwischen uns wurde viel seltener (ist ja auch nichts ungewöhnliches nach einer Schwangerschaft). Ich widmete mich dem Familienleben, so weit wie mein Beruf es erlaubte. Langsam merkte ich aber, dass das Intimleben zwischen mir und meiner Frau einfach nicht spontan da war, und schließlich verliebte ich mich in die Nachbarin (aber habe ihr erst 5 Jahre später von meinen Gefühlen erzählt).

Dann wurde ich leider von einer entzündlichen Erkrankung des Skeletts getroffen, ich konnte nur sehr schwer laufen und hatte furchtbare Schmerzen. Ich kam in eine Studie, wodurch ich ein Medikament bekommen habe, um die Symptome zu lindern. Kurz nach dem Beginn der Therapie erlitt ich eine schreckliche, traumatisierende Psychose und musste in die Klinik. Es dauerte mehr als anderthalb Jahre, bevor ich wieder anfangen konnte zu arbeiten. Leider wegen der Psychose hatte ich schreckliche Vorstellungen von Vergewaltigung gehabt, alles Symptome des kranken Gehirns; ich stellte mir vor, dass ich ein sexuelles Monster war, das einmal in Wut sein eigenes Kind vergewaltigt hatte… ich konnte mit diesen Gedanken fast nicht mehr leben und fiel in eine sehr schwere Depression, ich wurde suizidal und musste wieder in die psychiatrische Klinik. Nach 2 Jahren kam ich langsam aus der Hölle raus und versuchte ins normale Leben zurückzukehren. Die sexuelle Frustration war noch da, meine Frau wollte nicht mit mir schlafen. Schließlich schrieb ich meiner Nachbarin eine Mail, dass ich sie liebte… sie konnte meine Gefühle nicht erwidern, aber schrieb, dass sie mich sehr mochte.

Irgendwann schliefen ich und meine Frau dann doch miteinander, das erste Mal seit dreieinhalb Jahren… dazwischen war das Leben ja von meinen schrecklichen Erkrankungen geprägt. Aber nach anderthalb Jahren, wo unsere Ehe ganz ok lief, bat mich meine Frau im Wohnzimmer zu schlafen. Gründe waren mein Schnarchen und dass ich, durch die Medikamente bedingt, manchmal nachts sehr laut schreien würde.
Es war für mich aber schrecklich… keine Möglichkeit mehr für körperlichen Kontakt, wir entfremdeten uns immer mehr und mehr. Nach zwei drei Monaten erzählte ich meiner Frau, dass ich in die Nachbarin verliebt war, es war ja auch ein Versuch, ihr sowohl die Wahrheit zu erzählen, als auch, dass sie vielleicht erkennen würde, dass ich Liebe und Nähe brauche. Ich versicherte ihr, dass es keine Intimität zwischen mir und der Nachbarin gegeben hatte und dass alleine ich die romantische Gefühle hatte. Aber leider kränkte es meine Frau nur… Die nächsten Monate wurden schlimmer und schlimmer, wir stritten, auch öfter vor den Kindern. Ich drohte damit, dass wir uns trennen sollten, aber geändert hat sich dadurch nichts.
Ich konnte es nicht mehr im Wohnzimmer aushalten und meldete ich mich bei einer Singlebörse an und suchte nach neuen Partnerinnen….Nach einem halben Jahr lernte ich dort eine Frau kennen, die mir sehr zugetan war. Ich erzählte ihr von der Situation mit meiner Frau, und sie war trotzdem einverstanden, sich mit mir zu treffen. Ich teilte dies dann auch meiner Frau mit.
Das erste Treffen mit der fremden Frau war in der Stadt, wir redeten bis in den Morgen. Als ich nach Hause kam, wartete meine Frau auf mich, sie fragte, ob ich mit der Frau geschlafen hatte. Nein, antwortete ich… Einige Tage später teilte ich meiner Frau mit, dass ich mich wieder mit der fremden Frau treffe. Ich ging mit ihr im Park spazieren, wir hatten einen schönen Tag, ich erzählte ihr davon, dass ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich mich wirklich von meiner Frau trennen wollte… beim Abschied gab ich ihr einen Kuss. Und zu Hause wartete wieder meine Frau, verletzt und besorgt…
Eine Woche später blieb ich Abends bei der fremden Frau und wir schliefen miteinander. Es war einfach wunderschön, mit Kerzenlicht, so zärtlich, ihre Augen strahlten solch eine Wärme aus. Meine Frau wartete zu Hause….ich erzählte ihr nicht gleich, was passiert war.
Am Morgen schrieb ich der anderen, dass ich sie liebe, dies tat sie auch. Ich erzählte meiner Frau weinend, dass ich in eine andere verliebt war, dass ich mit ihr geschlafen hatte, dass ich auch sexuelle Bedürfnisse hatte – dann sagte mir meine Frau, “schlaf mit mir”! Nach einigen Minuten ist es auch passiert, in der Küche, von hinten, sie stieß sich gegen mich, ohne Zärtlichkeit, mechanisch, fast ohne Gefühl…
Am nächsten Tag war ich sehr verzweifelt… Ich hatte wie seit einem Jahr im Wohnzimmer geschlafen, ich fuhr zur Arbeit, danach fuhr ich zur anderen Frau, die am diesem Tag nicht arbeitete. Und ich schlief mit ihr, wie beim ersten Mal ein paar Tage vorher, war ich so beeindruckt von der Wärme und Liebe in ihren Augen, von ihrer Zärtlichkeit. Ich war fast am Zusammenbrechen, als ich am Nachmittag von ihr wegging… ich bat meinen Arzt um Hilfe.
Am nächsten Tag zu Hause besuchte mich meine Frau im Wohnzimmer; obwohl ich eine andere Frau gefunden hatte, hatte ich das Gefühl, meine Ehefrau nicht verletzen zu wollen, zu zeigen, dass ich sie auch begehre… wir hatten Sex, im Dunkeln, ich durfte sie nicht küssen, ich wusste nicht genau, warum ich mit ihr schlafe, warum ich solch Energie hatte…ich kann mich daran erinnern, dass ich noch keinen Orgasmus bei der fremden Frau gehabt hatte, und hatte einen Drang bei meiner Frau zu kommen, was auch geschah. Am Tag danach fuhr ich zu meiner Geliebten und schlief mit ihr. Es war wieder so wundervoll, so zärtlich. Und am nächsten Tag war wieder meine Frau dran… Zu diesem Zeitpunkt wusste keine von den beiden, dass ich mein sexuelles Leben mit Ehefrau und Geliebter teile. Nach einigen Wochen kam der Tag, als ich meiner Frau erzählte, dass ich die andere immer noch sehe, dass ich in sie verliebt bin. Ein paar Tage später schrieb ihr meine Frau mit meinem Handy, dass meine Affäre auf beider Wunsch zu Ende sei.
Ich saß neben meiner Frau, als sie die Nachricht geschickt hat, ich war zutiefst verzweifelt und traurig und weinte.
Nach einigen Wochen traf ich aber wieder meine Geliebte, der hatte ich auch offenbart, dass ich in den ersten Wochen mit ihr und meiner Frau geschlafen hatte; sie konnte dies sogar verstehen und war mit mir nicht böse. Einige Tage danach, als meine Frau und Kinder in Urlaub waren, besuchte ich meine Geliebte wieder, wir schliefen miteinander. Über die nächsten Wochen ging es immer hin und her; ich versprach meiner Frau, dass ich meine Geliebte nicht sehen würde, dann tat ich das Gegenteil…
Die Wende kam, als ich an einem Morgen mit meiner Frau schlief und dann in tiefer Verzweiflung zu meiner Geliebten gefahren bin, mit der ich auch schlief. Ich fühlte, dass ich meine Frau nicht wirklich liebe, dass sie meine Verführerin sei… ich liebte eine andere. Nachdem ich mit den beiden innerhalb von Stunden geschlafen hatte, erkannte ich, dass das nicht richtig war, ich bekam zum ersten mal Schuldgefühle, und zog mich von meiner Geliebten zurück.
Das ist jetzt ein Jahr her, und seit Monaten haben meine Frau und ich wieder keine Intimität. Wenn ich es versuche, ist es ihr zu warm oder sie hat keine Lust… und die ganze Zeit vermisse ich meine Geliebte: die Wärme, die Küsse, die Zärtlichkeit, das Gefühl, als ich in ihr war, als sie ein Orgasmus bekommen hat, als ihr Vagina mein Penis so rhythmisch berührte… dies ist bei meiner Frau nie passiert, sie sagt mir beim Sex, “ich komme”, sie hebt ihr Becken hoch, aber Kontraktionen der Vagina konnte ich nie fühlen. ich frage mich sogar, ob meine Frau die Orgasmen immer vorgetäuscht hat…

Mein Psychiater sagt, meine Psychose entstand auch aus sexueller Frustration und dass meine Frau Sex als Machtmittel benutzt… Tja, ich war so oft in meiner Ehe frustriert. Zum Beispiel einmal war ich in der Badewanne und fing an zu weinen, ich war vorher wieder von ihr abgelehnt worden. Ich kam aus dem Bad heraus und sagte ihr, mir fehle die Intimität. Sie sagte, es sei ihr einfach nicht so wichtig, na ja, das mag sein, aber ich finde, es gehört zu einer Ehe. Gleichzeitig erkenne ich, dass ich immer die Zärtlichkeit mit ihr vermisst habe, auch beim Sex.
Vielleicht wegen der Kinder bin ich zu Hause geblieben, und weil ich Mitleid mit meiner Frau habe, die so viel durchgemacht hat. Sie musste so viel mit mir erdulden, da kann ich doch nicht einfach gehen. Ich würde aber immer noch so gerne einfach weg, zu einer Frau, die mir Wärme zeigt… meine Nachbarin sagt, die Welt meiner Frau wird durch ihre Liebe zu unseren Kindern gekennzeichnet und dass ich immer eine sekundäre Rolle spielte….

Jetzt habe ich viel geschrieben… Was soll ich tun?
Viele Grüße, Mann (43)

Antwort von der Paarberaterin:

Hallo Mann,
ich sag mal „du“, damit es nicht Verwechslungen zwischen „Sie“ und „sie“ gibt.
In der Tat, du hast viel geschrieben – mehr, als eigentlich in diesem kostenlosen Kummerkasten für mich machbar ist. Ich sage dir trotzdem was dazu.

Erst mal zu dieser Aussage von dir:
«danach fing vielleicht mein Leiden an, ohne dass ich es wirklich wahrgenommen habe»
Es ist erst dann ein Leiden, wenn man in irgendeiner Form leidet – und das ist durchaus wahrnehmbar. Ich gehe also davon aus, dass du dir dein “Leiden” erst im nachhinein gestrickt hast; das passt nämlich auch hierzu:
«Mein Psychiater sagt, meine Psychose entstand auch aus sexueller Frustration und dass meine Frau Sex als Machtmittel benutzt»
Wenn Sexfrust Psychosen fördern würde, dann gäbe es rechnerisch ca. 20mal so viele psychotische Männer, als es sie tatsächlich gibt.
Dise Aussage von deinem Psychiater kam dir ganz recht, hm? Deine Frau ist die Böse, du bist das arme Opfer.
Du hättest schon längst die Verantwortung für dein Leben übernehmen müssen, statt dich zum Opfer zu stilisieren. Verantwortung für dein Leben übernehmen, das bedeutet in deinem Fall: Früh genug ganz klar kommunizieren, dass du mit der körperlichen Verbindung in der Ehe unzufrieden bist und möchtest, dass beide daran arbeiten, das zu ändern, und wenn das nicht geht, die Ehe zu beenden (und das auch wirklich so meinen, statt die Trennungsandrohung nur als Machtmittel benutzen zu wollen). Man kann auch gute Eltern sein, ohne eine tote Paarbeziehung fortzuführen. Du liebst deine Frau schon ewig nicht mehr, sondern erst die Nachbarin, dann die andere Frau, aber erwartest, dass deine Frau dir körperliche Liebe entgegenbringt? Selbst dann noch, als du heimlich auf einer Singlebörse nach neuen Frauen schaust und dir eine ausgewachsene Parallelbeziehung zulegst? Boah, so viel zu Täter und Opfer. Merkst du, wie selbstbezogen das ist?

Du schreibst: «Vielleicht wegen der Kinder bin ich zu Hause geblieben, und weil ich Mitleid mit meiner Frau habe, die so viel durchgemacht hat. Sie musste so viel mit mir erdulden, da kann ich doch nicht einfach gehen.»
Diese Argumentation ist zwar weit verbreitet, aber wenn man mal genau drüber nachdenkt, ist sie unsinnig: “Mein/e Partner/in hat so viel mit mir mitgemacht, jetzt MUSS ich doch bleiben!” Aha – damit sie also auch noch für den Rest ihres Lebens viel mit dir mitmachen muss: deine Erkrankungen und psychischen Probleme, deine Unzufriedenheit mit eurem Intimleben, deine Bedürftigkeit, deine Sehnsucht nach der Geliebten, Fremdgehen.
Deine Frau hat vielleicht Angst vor einer Trennung, aber das ist dann vor allem die Angst vor der Veränderung und vor dem Unbekannten, was ihr die Trennung schwer macht – wenn ihr da mal durch seid, wird sie bald Erleichterung verspüren. Zumal ihr beide in sehr wichtigen Punkten nicht gut zusammenpasst. Und mir scheint auch, dass ihr euch nicht mehr liebt (es geht vielleicht mehr in Richtung Verantwortungsgefühl und seelische Abhängigkeit).
Wenn ihr euch trennt, hast nicht nur DU die Chance auf neue, erfüllte Liebe, sondern auch SIE!
Für eure Kids wird es natürlich nicht leicht, aber sie sind alt genug, um es zu verstehen – und das, was sie seid Jahren bei ihren Eltern erleben, ist vermutlich alles andere als leicht.

Bitte schau dir dazu diese Beiträge an:

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Alles Gute
Beatrice Poschenrieder

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