Psycho-Problem: Er hat viele Ängste (u.a. Panik, Phobie), wird´s noch schlimmer, wenn ich mich trenne?

Schon zu Beginn hatte er Riesen Probleme beim Sex, und im Lauf der Monate ziegten sich immer mehr Störungen. Er hat vor allem Angst!

Liebe Beatrice,
habe ein sehr großes Problem mit meinem Freund (30). Ich liebe ihn und wir sind seit 7 Monaten zusammen. Ich dachte zu Beginn, er ist mein Traummann, aber einige Sachen sind vorgefallen, die mich zweifeln lassen. Erst habe ich die Zweifel unterdrückt, weil ich nicht Schluss machen wollte, dann sind sie wie ein Vulkan ausgebrochen.
Angefangen haben alle Probleme mit dem ersten Sex. Wir haben wochenlang Petting gemacht und es war wunderschön. Dann haben wir uns testen lassen, und als die Pille wirkte, fingen wir an miteinander zu schlafen.
Unser erstes Mal war ein totaler Schock für mich, ganz anders als das Petting. Erstens hatte er totale Erektionsprobleme, mal war er hart (aber nicht richtig) und dann wieder schlaff. Das ging erstmal ne Zeit lang so und als es dann endlich klappte, war es irgendwie nur dröges Poppen. Kein In-die-Augen-blicken, keine Leidenschaft, irgendwie leer. Außerdem kann er nur in bestimmten Positionen kommen und auch nur, wenn er seine Beine ganz krass ausstrecken kann.
Ich habe nichts gesagt, da ich froh war, dass wir das mit der Erektion in Griff bekamen, also hab‘ ich es verdrängt.
Nach einigen Wochen habe ich unterbewusst angefangen an meiner Liebe zu ihm zu zweifeln. Mir ist aufgefallen, dass ich andere Männer anschaue, obwohl ich weiß, dass ich IHN will. Dann sind mir ständig komische Gedanken durch den Kopf geschwirrt, hab mich einfach unwohl gefühlt, wenn ich an ihn dachte, wurde unsicher vor Menschen, war plötzlich dauernd deprimiert. Irgendwann nach langem Herumgrübeln ist mir bewusst geworden, dass er ein sehr schwaches Selbstbewusstsein hat, nicht gerne mit anderen redet, sehr schüchtern ist, und irgendwie hatte ich einfach immer das Gefühl, „da stimmt was nicht“.

Vor einigen Wochen wurde meine Niedergeschlagenheit so schlimm, dass ich ihm sagte, ich würde mir einen Psychologen suchen, der mir helfen kann.
Dann sagte er mir etwas und es hat plötzlich „klick“ gemacht. Er meinte, er wäre früher auch schon mal beim Psychologen gewesen, und nach mehreren Nachfragen erzählte er mir, dass er eine Essensphobie hat. Er sagt, er konnte lange Zeit nicht in der Öffentlichkeit essen, da er Panikattacken bekam. Er meinte, dass er jahrelang alles versucht hat (Psychologen, Hypnose, etc.), aber sie haben nie den Grund gefunden, und nun hätte er’s ganz gut unter Kontrolle. Aber ich sehe jetzt immer mehr, wie unsicher er ist und wie er sein Leben einschränkt. Er hat vor so vielen Sachen Angst!! Er ist z.B. schon seit über 3 Monaten arbeitslos und hat Angst, dass im nächsten Job die Leute komisch sind. Er hat irgendwie auch keine Lebensfreude und keine Hobbies oder so.

Meine Frage ist, wie sehr sowas einen Menschen beeinträchtigen kann und ob der Sex darunter auch leiden kann?

Ich weiß auch gar nicht, wie ich mit dem ganzen umgehen soll, und denke sogar daran ihn zu verlassen, weil es mich sehr runterzieht. Ich bin auch nicht so stark und brauche einen starken Mann an meiner Seite, aber bei ihm hab ich das Gefühl, ich MUSS stark sein. Es raubt mir meine Energie, hab zu nichts mehr Lust, gehe nicht mehr zum Sport, mag meine Freunde nicht mehr sehen, keinen Sex mehr haben… ich weiß einfach nicht mehr weiter. Und wenn ich Schluss mache, was soll ich ihm dann sagen? Die Wahrheit wird sicherlich nicht gut für ihn sein??? Werden dann seine Störungen und Ängste noch schlimmer werden?
Vielen lieben Dank für’s Zuhören
Sarah (29)

Liebe Sarah,
du schreibst:
„Er hat vor so vielen Sachen Angst. Er ist z.B. schon seit über 3 Monaten arbeitslos und hat Angst, dass im nächsten Job die Leute komisch sind. Er hat irgendwie auch keine Lebensfreude und keine Hobbies oder so.“
„…nun sagt er, hat er’s ganz gut unter Kontrolle…“
Nein, hat er eben nicht. Wie du ja selbst siehst, haben seine Ängste ihn so sehr im Griff, dass er alles Mögliche vermeidet, was man eigentlich zu einem guten, erfüllten Leben braucht. Das ist typisch für einen Menschen mit starken Neurosen. Ich hab über Neurotiker eine kleine Beitragsreihe geschrieben, bitte schau da mal rein:
Neurotiker: Ich kann nicht, ich mag nicht, bin ja so sensibel…

Was macht einen Alltagsneurotiker aus?

Was macht einen Alltagsneurotiker aus? Teil 2

Was macht einen Alltagsneurotiker aus? Teil 3
(Ganz unten bei den „Verwandten Beiträgen“ gibt´s noch mehr!)

Und höchstwahrscheinlich beeinträchtigen ihn seine vielen Ängste noch mehr, als du bisher wahrgenommen hast, und natürlich auch seine Sexualität. Klingt, als ob er auch im Bett total angstbesetzt ist.
Ich weiß ja nicht, ob er je eine ausgewachsene Therapie bei einem wirklich guten und für ihn passenden Therapeuten gemacht hat, aber genau das wäre es, was er braucht – und es wird viele Jahre dauern und er wird möglicherweise nie ganz ins Lot mit sich kommen.
Leider möchte ich dir von dieser Beziehung abraten. Warum? Sie tut dir überhaupt nicht gut. Es gibt schon viel zu viele schlechte Anzeichen:
Deine unguten Gefühle, deine Niedergeschlagenheit, deine Zweifel, dein Schauen nach anderen Männern, und dann das alles: „Ich weiß auch gar nicht, wie ich mit dem ganzen umgehen soll, und denke sogar daran ihn zu verlassen, weil es mich sehr runterzieht. Ich bin auch nicht so stark und brauche einen starken Mann an meiner Seite, aber bei ihm hab ich das Gefühl, ich MUSS stark sein. Es raubt mir meine Energie, hab zu nichts mehr Lust, gehe nicht mehr zum Sport, mag meine Freunde nicht mehr sehen, keinen Sex mehr haben…“
Deine Worte sprechen definitiv dafür, dass du dich besser trennen solltest – zumal du mit diesem Mann absolut keine Verbesserung deiner Lebensqualität zu erwarten hast, sondern nur lauter Einschränkungen und Frustrationen und Stimmungskiller.
Das musst du dir nicht antun.
Du hast ein schlechtes Gewissen, weil du denkst, dass die Trennung seiner ohnehin labilen Psyche noch einen weiteren Stoß versetzen wird.
Aber es ist weder deine Aufgabe noch deine Pflicht, ihm zu helfen und ihn zu heilen. Das ist Aufgabe eines ausgebildeten Therapeuten. Unterstützend dazu soll er dieses Buch lesen (und du vielleicht auch):
«Ich muss nicht alles glauben, was ich denke: Das Grübeln beenden, gelassener leben».

Du fragst: „Und wenn ich Schluss mache, was soll ich ihm dann sagen? Die Wahrheit wird sicherlich nicht gut für ihn sein???“
Die Wahrheit wird ihm weh tun, kann aber auch eine Chance sein – nämlich ihn dazu zu veranlassen, mal gründlich an seine vielen Probleme ranzugehen und eine intensive Therapie zu machen. Denn so, wie er jetzt ist, ist er praktisch für jede Frau als Beziehungspartner unzumutbar. Da wird er immer wieder abserviert werden, was letztlich viel schlimmer ist als wenn du ihm jetzt die Wahrheit sagst und er dann was unternimmt.
Herzlichst
Beatrice Poschenrieder

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