Ist er so kalt wegen des Todes seiner Mutter oder wegen Arbeitsstress?

Seine Mutter ist vor 6 Monaten gestorben; seitdem ist er unterkühlt zu mir, auch Sex und Zärtlichkeit gibt es nicht. Zudem hat er Stress…

Hallo Beatrice,
ich bin wirklich verzweifelt, weil ich langsam nicht mehr weiter weiß.
Mein Freund (41) und ich (30) sind jetzt 2 Jahre zusammen und hatten bis vor einem halben Jahr eine gute Beziehung. Leider ist er mit seiner Firma in ziemliche Probleme geraten und musste fast jeden Tag 10 Stunden und mehr arbeiten und hatte deshalb natürlich Existenzängste.
Schrecklicherweise ist dann auch noch seine Mutter gestorben (sie hatten ein sehr enges Verhältnis).
Na, dass er da keine Lust mehr auf Sex hat, ist mir klar, und ich bedränge ihn auch überhaupt nicht, ich spreche ihn nicht einmal darauf an (seit 6 Monaten). Als wir es das letzte Mal versucht haben, ist er nicht steif genug geworden (früher hatten wir immer tollen Sex).

Leider ist er mir gegenüber auch so kalt geworden. Als ich ihn darauf angesprochen hab, meinte er, dass der Tod seiner Mutter ihm das Herz gebrochen hat – und er kann im Moment nicht.
Wie lang soll ich noch warten?
Soll ich weiter warten, bis von seiner Seite etwas kommt?
Wenn nicht, wie kann ich mein Interesse an Sex zeigen?
Manchmal will er nicht einmal kuscheln!
Danke, Annika (30)

Wir haben nicht mal Sex, liegt es an seinem Stress oder am Todesfall?

Liebe Annika,
ich wüsste gern noch von dir:
1) Lebt ihr zusammen? Wenn nein, wie oft seht ihr euch und was macht ihr dann?
2) Wann genau starb seine Mutter?
3) Sind seine beruflichen Probleme weniger geworden, d.h. geht es ihm da jetzt besser?
4) Denk mal scharf nach, ob es schon vor diesen schlimmen Ereignissen Momente bei ihm gab, wo er sich kalt und/ oder desinteressiert an dir zeigte.
5) Wieviel Zärtlichkeit gibt es noch bei euch und in welcher Form?
Bis bald, Beatrice

Liebe Beatrice,
hier meine Antworten:
1) Er arbeitet sehr sehr viel und auch im Ausland. Jede 2. Woche ist er 3 Tage nicht da. Da bin ich in meiner eigenen Wohnung, weil ich mich da meinen Computer habe. Wir sehen uns immer, wenn er hier ist, und dann reden wir über alles, was uns bewegt, gehen essen, liegen auf der Couch, kochen oder laden Freude ein.

2) Vor einem halben Jahr, nach langem Krebsleiden im Krankenhaus.

3) Ja, nach seinem Burnout vor 2 Monaten. Er hat geplant, dass er ab Anfang August (also in drei Monaten) weniger arbeitet und wir dann mehr Zeit miteinander verbringen. Dann hab ich auch weniger zu tun, ich lerne nämlich für Abschlussprüfungen bis am Abend. Deshalb nutze ich die Zeit, wenn er nicht da ist, gerne aus zum Lernen. Dass er nicht da ist, stört mich also nicht.
Nächstes Weihnachten wollen wir gemeinsam ins Ausland für 3 Monate. Dann wieder retour.

4) Eigentlich schon, aber anders. Wenn er z.B. vom Büro nach Hause kam, telefonierte er meistens noch und dann gab´s nur ein Bussi und er ließ sich auf die Couch fallen, und wenn ich anfing zu erzählen, sagte er oft: “Mein Kopf ist total voll – ich kann nichts mehr aufnehmen, mag mich nur mehr vom Fernseher berieseln lassen.” Das macht er auch teilweise bei Freunden, wenn er gestresst ist, dann hört er auch ihnen überhaupt nicht zu (das hab ich öfters schon beobachtet).

5) Zärtlichkeit: Wenn wir dann mal über das Wochenende irgendwo hinfahren, dann geht es ihm besser, er taut auf und wir halten Händchen und er sagt, dass er mich vermisst hat. Aber keine langen Küsse oder Sex! Außer wenn wir am Abend einschlafen, dann umarmt er mich ganz fest und streichelt meinen Kopf.

Ich weiß jetzt nicht, ist das seine Arbeit, sein Seelenleid wegen seiner Mama, oder ist er einfach nicht interessiert?
Annika

Liebe Annika,
du fragst: „Ich weiß jetzt nicht, ist das seine Arbeit, sein Seelenleid wegen seiner Mama, oder ist er einfach nicht interessiert?“
Schwer zu sagen. Vielleicht alles drei? Meistens gibt es ja mehrere Gründe, wenn sich jemand seltsam verhält, und nicht nur einen.
Der Tod seiner Mutter ist natürlich der stärkste Faktor, aber nach einem halben Jahr sollte er sich zumindest wieder so gefangen haben, dass er wieder Lust auf Sex und Zärtlichkeit entwickelt. Zumal das Abstellen dieser Dinge ja nicht die typische Reaktion auf den Tod eines nahestehenden Menschen ist; viele Leute suchen ja gerade da den Trost drin.
Was zusätzlich erschreckend ist bei deinem Freund, ist das mit der Kälte. Das ist kein gutes Zeichen. Vielleicht stellt er seit dem Tod der Mutter alles in Frage, auch eure Beziehung. Ich tippe aber noch eher auf eine Depression. Die stellt oft nicht nur die Sexlust ab, sondern auch die Liebesgefühle.
Der Burnout ist ein Hinweis darauf, denn hinter den meisten Burnouts steckt eine Depression.
Ich möchte euch beiden die Lektüre dieses Buches empfehlen: «Depression und Burn-out überwinden: Ihr roter Faden aus der Krise: Die wirksamsten Selbsthilfestrategien».

Du schreibst auch:
„Wenn wir dann mal über das Wochenende irgendwo hinfahren, dann geht es ihm besser und er taut auf…“
Vom Ansatz her lässt das zwar ein bisschen Hoffnung aufkommen, aber eigentlich ist es viel zu wenig, was da von ihm kommt. Ihr seid doch kein uraltes Ehepaar!

Was ich dir rate, ist:
Warte mal noch ab bis August – ob er sich dann tatsächlich mehr Zeit nimmt und sich eure Beziehung und der Sex deutlich bessern. Wenn nicht, dann löse dich allmählich von ihm und sag ihm, entweder er macht jetzt eine Therapie, um den Tod der Mutter und die Arbeitsprobleme in den Griff zu kriegen, oder du trennst dich.

Bitte schau auch ganz unten bei “Verwandte Beiträge”, ob da was drin ist, was dir weiterhilft!
Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder

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