Nähe zulassen, wie schaffe ich das?
Bisher war ich (30) immer nur mit Verheirateten und mit Nähe-Vermeidern zusammen, schätze, weil ich selber ein Näheproblem habe
Liebe Beatrice!
Vielleicht kannst du mir einen Tipp geben. Niklas, so heißt mein Jetziger, ist nicht der erste Mann in meinem Leben, der verheiratet ist, auch meine kurzen Affären davor waren es. Ich denke, dass ich aus meiner Kindheit und Erziehung heraus nicht gewöhnt bin Nähe zuzulassen und gelernt habe, dass Nähe was mit Verletztwerden zu tun hat. Mein Vater konnte keine Liebe geben, und auch mein erster Freund war sehr unnahbar.
So gesehen habe ich immer Männer gehabt, die mir eigentlich nicht zu nahe kommen können. Nur „dumm“, dass Niklas so vernarrt in mich war und nicht locker ließ, und jetzt hänge ich schon wieder in einer Geschichte mit einem Verheirateten fest. Außerdem habe ich wohl so nen Helferinstinkt. Wie oft habe ich analysiert, warum er sich trennen sollte! Und es war mir wichtig, dass er mich liebt, auf mich habe ich nicht wirklich geschaut.
Ich weiß nicht, wie ich wieder zu mir und meinen Gefühlen finden kann, die ich bis jetzt nur hatte, als ich 17 war. Heftig, ich weiß, vor allem da ich schon 30 bin. Ich möchte keine Angst mehr vor Nähe haben, ich möchte fühlen können, ich möchte lieben können, und Sexualität nicht als Lockmittel für Männer, sondern als Austausch empfinden. Nur, wie soll ich das anstellen???
Hast Du ne Idee?
Lilly (30)
Hi Lilly,
vielen Frauen ergeht es teils jahrzehntelang so ähnlich wie dir: Sie lassen sich meist nur auf Männer ein, mit denen echte Nähe und eine konventionelle Beziehung nicht oder nur begrenzt möglich ist (weil auch sie in ihrer Kindheit „gelernt“ habe, dass beides sehr negativ besetzt ist und sehr oft, wie du richtig sagst, was mit Verletztwerden zu tun hat). Irgendwann merken sie, dass es nicht an den Männern, sondern an ihnen selbst liegt, dass sie keine dauerhafte glückliche Beziehung zustande kriege, und fangen an, sich intensiv damit auseinanderzusetzen: Bücher zu dem Thema, Sitzungen mit einer Therapeutin, die sehr helfen können, Einblicke in die tieferen seelischen Zusammenhänge zu kriegen.
Gut ist, wenn eine Betroffene da unter anderem lernt, dass sie es ja auch mit meinem Partner absprechen kann, wieviel Nähe sie zulassen möchte und wie beide die Beziehung gestalten. Und dass „eine lange Beziehung führen“ nicht bedeutet, dass sie automatisch so werden wird wie die der Eltern.
Ich denke, sie muss halt schon für sich definieren, welche Art von Beziehung sie aushalten könnte, und das dann relativ am Anfang einer neuen Liebe abklären, ob das mit den Vorstellungen des andern vereinbar ist. Zum Beispiel wenn du nicht die Frau zum Heiraten und Familie-Gründen bist und auch nicht die, mit der mann sich ein gemütliches Nestchen bauen kann, ist das völlig in Ordnung, zumal es ja auch Männer gibt, denen das gelegen kommt, da sie auch nicht die geborenen Familiengründer sind.
Wenn du das für dich klar definierst und auch vermittelst, kannst du mit dem ganzen Beziehungskram schon mal ein kleines Stück unbefangener umgehen.
Ich kann dir nur raten: Trenn dich von dem Verheirateten und mach mit dir selber einen Neuanfang – am besten auch mit Hilfe einer Fachfrau.
Die allerbesten Bücher zu dem Thema, die ich kenne, kommen von Stefanie Stahl. Bitte zuerst das hier lesen:
Jein!: Bindungsängste erkennen und bewältigen. Hilfe für Betroffene und deren Partner
und dann das hier:
Vom Jein zum Ja!: Bindungsangst verstehen und lösen
Und hier noch ein paar Interessante Beiträge zum Thema:
• 13 Anzeichen von Beziehungsunfähigkeit oder Bindungsangst
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Alles Gute!
Beatrice Poschenrieder